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Überblick

Reale Praxis

Im Folgenden gehen wir kurz darauf ein, wie die reale Praxis in der AI derzeit ausschaut. Da sich viele Entwicklungen aus der Forschung, die vom Militär bezahlt wurde, ergeben haben, soll zu Beginn auf die Rolle des Militärs bei der Unterstützung der AI eingegangen werden. Abgeleitet daraus werden dann die einzelnen Fragenkomplexe, die in diesem Zusammenhang interessant sind, kurz behandelt.

Militärische Wunschvorstellungen

Ausgehend vom zweiten Weltkrieg soll betrachtet werden, wie die Vorstellungen der KI im Sinne des Militärs umgesetzt wurden. Die Kryptologie, die eingesetzt wurde, um die Texte der Deutschen Wehrmacht zu entschlüsseln führte zu einer entsprechenden Bedeutung der Informatik. Da aber die technischen Möglichkeiten speziell auf KI bezogen nicht weiterentwickelt waren und damit für die Wirtschaft uninteressant wurden,  wurde von da an die Forschung in der KI hauptsächlich vom Militär getragen. Das Department of Defense hat in Amerika bis zum Ende der 80er Jahre 50% der Mittel für die Forschung in der KI aufgebracht. Bis zum Beginn der 80er stand die Mensch-Maschine Kommunikation im Vordergrund, aber keine konkreten militärischen Anwendungen. Ziel war eine allgemeine Fortentwicklung der KI in der Interaktion Mensch-Maschine in Bezug auf Sprachtechnik und Sprachverarbeitung. Dabei entstanden auch die Graphics User Interfaces. 

1983 kam es zu einer expliziten Ausrichtung auf den Kampfeinsatz durch die Gründung von SCI – es sollte das Ziel einer „completely new generation of machine intelligence technology“ innerhalb von 10 Jahren erreicht werden. Forschungsschwerpunkte lagen bei Schlachtfeld-Modellation, Umgehen von Unsicherheiten und Sprachverstehen. Daraus entstand eine Unzahl an Expertensystemen, z.B. zur Transport-Optimierung, Diagnose, Fehlersuche und Reparatur. Weitere Fortschritte wurden auf dem Gebiet der Klassifikation und Analyse von Signaldaten wie Radar und Sprache und der Zuweisung von Waffensystemen beim Schlachtfeldmanagement gemacht. Mitte der 80er wurden Experimente mit „autonomous vehicles“ durchgeführt. Bei den Unterwasserfahrzeugen führten sie zum Erfolg. Bei den bodengestützten Robotern schlugen sie fehl. 

Dann mischte sich die Öffentlichkeit ein, die dagegen war, dass das Militär sich mit derartigen Forschungen beschäftigte. Was zu einem Informationsstop führte. Es kam zur Definition des Begriffes Dual-Use-Produkt und Dual-Use-Forschung. Beim Produkt wird erst im nach hinein festgestellt, dass es sowohl für militärische als auch zivile Zwecke einsetzbar ist. Die Forschung wird schon von Anfang an unter diesem Aspekt betrieben. 
Ein Beispiel hierfür ist das ursprünglich zur Steuerung von Interkontinentalraketen entwickelte „Global Positioning System“. Diesem wurde ein Signal hinzugefügt, das es für zivile Zwecke tauglich machte – für Navigationssysteme bei Fahrzeugen und Schiffen. Die dadurch hervorgerufene Nachfrage führte zur Massenfertigung und der Preis sank von $100.000,-- im Jahr 1984 auf $ 1.000,--. 

Auch Computer Aided Instruction ist ein Dual-Use-Produkt. Vom Militär eingesetzt, um den Zusammenbau von Waffen und das Durchführen von Schießübungen günstiger durchzuführen, wurden analoge Systeme, wie zum Beispiel Flugsimulatoren ins Zivile übernommen. 

Andere Beispiele sind für die zivile Nutzung militärischer Ergebnisse sind kommerzielle Softwarepakete zur Sprach- und Texterkennung und zuverlässige Wettervorhersagen. 

Nach den Atomteststoppverträgen wurde eine Milliarde in die Entwicklung von Supercomputern zur Simulation des Einsatzes von Atomwaffen investiert. Im Rahmen der neu gestarteten Forschung an bodengestützten Robotern kam es zur Entwicklungen auf dem Gebiet des Bildverstehens, dem selbstständigen Planen und Verstehen, der Verarbeitung natürlicher Sprache und Texte, Machine Learning – der Wissensrepräsentation und – aquisition, und anderen. Zu der Zeit entstand ADRIAS ein System zur Steuerung und Planung großer Truppenbewegungen. 

Die KI wird im Rahmen des „Information Warfare“ für die „application of steel to target“ eingesetzt – d.h. für die Anwendung von Gewalt. Die Objekte des Schlachtfeldes sollen direkt und unmittelbar mit von Sensoren stammenden Informationen versorgt werden. Zum Beispiel sollen intelligente Minen zwischen Feind und Freund unterscheiden können oder sich nach einer gewissen Zeit selbst entschärfen – was die Opfer unter der zivilen Bevölkerung senken würde. 

Eine theoretische Vorstellung ist, dass im Endeffekt Schlachten durch Simulationen ersetzt werden. Was aber sicherlich an der Einsicht der Führer der an diesen Konflikten beteiligten Staaten scheitert. 

(Informationen aus „Informatik – Fluch oder Segen“, Andrea Sieber, Martin Söns, Werner Dilger; Ergebnisse des Seminars “Informatik, KI und Kritik”, 8. Juli 1999, TU Chemnitz) 

Akzeptanz und Durchsetzungsvermögen

In der AI haben sich die Systeme durchgesetzt, die kostengünstig für eine breite Masse gefertigt werden konnten, bzw. die zu einer Vereinfachungen im Umgang mit dem Computer führten. Dazu gehören Graphische Benutzeroberflächen ebenso, wie Spiele, Übersetzungsprogramme, GPS, etc. Viele dieser Anwendungen sind direkt aus der Forschung des Militärs ableitbar (siehe oben).

Die Frage nach der Akzeptanz von KI-Systemen entspricht der Frage nach der praktischen Anwendbarkeit. Dies führt zu den Ingenieurwissenschaften. Als Begründer der ingenieurwissenschaftlich orientierten KI gilt E.Feigenbaum, der den Begriff des Knowledge engineering (Wissenstechnik) prägte. KI-Systeme von praktischer Bedeutung müssen umfangreiches Spezialwissen enthalten, womit wir bei den Expertensystemen angelangt sind. Typische Einsatzbereiche, die sich durchgesetzt haben werden im folgenden Abschnitt aufgezählt.

Einsatzbereiche und typische Nutzung

Diesen Bereich haben die anderen Gruppenteilnehmer unseres Seminars ausführlichst bearbeitet, daher hier nur eine kurze Zusammenstellung und Links zu ihren Webseiten.

KI-Systeme haben sich in verschiedenen Teilgebieten in unterschiedlicher Anwendungsreife entwickelt. Die größten Erfolge waren in der Spielprogrammierung, speziell in der Schachprogrammierung zu verzeichnen. Die dabei angewandten Techniken des Problemlösens fanden auch Eingang in der kognitiven Psychologie. Das automatische Beweisen ergab Verfahren zur Überprüfung von Programmen auf deren Fehlerfreiheit und zur Entdeckung von Widersprüchen in Datenbanken.

Zu den schwierigsten Bereichen zählt die Rekonstruktion sprachlicher Äußerungen. Die ersten Versuche der automatischen Übersetzung sind daran gescheitert, dass sie einen rein syntaktischen Ansatz hatten. Dieses Scheitern mündete im erfolgreichen Rettungsversuch neuerer natürlichsprachlicher Systeme, die semantisch fundiert sind und Weltwissen und formalisierbare pragmatische Information berücksichtigen. Nicht nur die automatische Übersetzung, auch die automatische Zusammenfassung von Aufsätzen sowie die Mensch-Maschine-Kommunikation werden mit Wissensbanken realisiert. Eine Verbindung mit der kognitiven Linguistik gibt es bei Systemen der akustischen Spracherkennung.

In der Bildverarbeitung werden Methoden der Mustererkennung und der sogenannten niederen Bilddeutung eingesetzt. Werden natürliche Szenen und Umgebungen analysiert, benötigt man wissensbasierte Methoden. Die sogenannte höhere Bilddeutung, das räumliche Sehen und die Analyse von Bildfolgen stellen schließlich auch eine Voraussetzung für die Entwicklung autonomer Roboter dar, auf die im Kapitel Bewertung noch eingegangen wird. Es ist doch ein großer Schritt von der Orientierung an Kanten und Strichcodes bis zum eigenständigen Festlegung einer Bewegungsroute.

Nachdem man also sagen kann, dass Expertensysteme für Spezialgebiete des Wissens, wie in chem. Analyse, Fehlerdiagnose technischer Geräte oder Finanzanalyse auch in absehbarer Zukunft die größte Relevanz für die Anwendungen der KI besitzen, ist noch eine Technik zu erwähnen, die alle KI-Systeme berührt, nämlich das automatische Lernen, bzw. Wissensakquisition. Nach den Anfangserfolgen in der Konzeptbildung ist der Fortschritt ins Stocken geraten. Man hat danach die neuronalen Netze aufgegriffen, welche wiederum sehr viel Erfolg versprechen.

  • >Intelligente Agenten
  • >Persönliche Assistenten
  • >Expertensysteme
  • >Computer/Kommunikation
  • Robotik (siehe in >Bewertung)
  • Scheitern und Rettungsversuche

    Wie immer wieder in unserem Seminar besprochen wurde, scheiterten die ursprünglichen Ideen der AI Forscher daran, dass die Kosten und der Aufwand für das Gesamtsystem (General Problem Solver), das damals in ihren Vorstellungen herumgeisterte, bei weitem ein erträgliches Ausmaß überstiegen. Deshalb kam es schon bald dazu, dass die Aufgabenstellung in einzelne kleine und kompakte Teilgebiete zerlegt wurde. Die Einzelsysteme konnten an die Kundenvorstellungen angepaßt werden und waren demgemäß sehr spezialisiert. Dadurch konnten aber Ressourcen gespart werden. Speziell bei den Kosten ergab sich eine große Einsparung - zum Beispiel kostete ein GPS in den 80ern noch $ 100.000,--, jetzt ist das billigste dieser Systeme um Euro 220,-- erhältlich. Die Details zu den einzelnen Systemen sind auf den Webseiten der einzelnen Gruppen zu ersehen.

    Weiterführende Informationen

    Print:
    >Jörg Papke, Markus Schröder, KI, Geschichte, Grundlagen, Perspektiven, Grenzen 
    >Dreyfus u Dreyfus, KI von den Grenzen der Denkmaschine und dem Wert der Intuition 
    >U. van Essen; Bedrohungsmodell in KI-Systemen 
    >Barbara Becker, Künstliche Intelligenz, Konzepte, Systeme, Verheißungen, 1992, Campus Verlag 
    >„Informatik – Fluch oder Segen“, Andrea Sieber, Martin Söns, Werner Dilger; Ergebnisse des Seminars “Informatik, KI und Kritik”, 8. Juli 1999, TU Chemnitz 
     

    Verweise auf Arbeiten anderer Gruppen

    >[Entstehungskontext.Modeling@Modellierung] Das Scheitern der natürlichsprachlichen Kommunikation mit dem Computer (Hype der AI) und die Entwicklung von User Modeling.
    >[Enstehungskontext@Wissensakquisition] Ende der 80er Jahre entstand das Gebiet Datamining als eine Disziplin mit Bezügen zur Künstlichen Intelligenz.
    >[Praxis.Knowledge Management@Wissensakquisition] Systeme der Künstlichen Intelligenz - Paradebeispiel CLAVIER.
    >[Entstehungskontext.Wasserfallmodell@Softwareentwicklungsmodelle] Das Wasserfallmodell wurde in seiner ursprünglichen Form das erste mal von Dr. Winston W. Royce 1970 präsentiert >[Royce, 1970]. Aber bereits früher konnte man die Grundstrukturen des heutigen Wasserfallmodells in verschiedenen Publikationen der U.S. Air Force und aus der Industrie erkennen. So fand es zum Beispiel Einfluss bei der Entwicklung eines Air Defense Software Systems namens SAGE (semi automated ground environment) in den 50er Jahren.
    >Entstehungskontext Konzepte und Techniken Entwicklung und Auswirkungen |Praxis| Bewertung