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Überblick

Hype versus echte Neuheit

Wie wir im ersten Kapitel beschrieben haben, war es schon immer die Wunschvorstellung des Menschen, selbst ein Wesen zu schaffen, das ihm gleichkommt. Aus Geschichte und Philosophie lassen sich dazu genügend Beispiele aufzählen. Also kann man das Ideengebäude, das der KI zu Grunde liegt, nicht als echte Neuheit bezeichnen. Jedoch erst die Entwicklung der Technik ab dem 17. Jahrhundert befähigte die Menschen dazu, diesem Traum näher zu kommen. Bereits in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde es als ziemlich sicher vorausgesetzt, dass es möglich sein wird, intelligente Maschinen zu bauen. Verschiedene Wissenschafter machten Prognosen über die Möglichkeiten, die sich für die Menschheit durch die Weiterentwicklung der Computertechnik ergeben würden. Zitate von Minsky, Zuse und Simon sollen noch einmal einen Überblick über die Erwartungen, die in die KI gesetzt wurden geben. An ihnen kann man ablesen, dass man die Anfänge der KI durchaus mit "Hype" betiteln könnte.

Marvin Minsky (MIT): Wir werden den Rechnern beibringen, ihre Gedanken zu organisieren. Ihnen helfen, von uns zu lernen und sich selbst zu unterrichten. Wir werden ihnen übermenschlich geschickte Hände und unheimlich aufmerksame Sensoren geben und zeigen ihnen, wie sie sich selbst kopieren können. (aus Jörg Papke, Markus Schröder, KI, Geschichte, Grundlagen, Perspektiven, Grenzen, S. 81)


Bild: Marvin Minsky
Bildquelle:>[http://web.media.mit.edu/~minsky/minsky.html]

Konrad Zuse: "Die höchste und schwierigste Aufgabe stellt zweifelsohne die Schaffung neuer bzw. die Änderung bestehender Lebewesen dar." (aus Jörg Papke, Markus Schröder, KI, Geschichte, Grundlagen, Perspektiven, Grenzen, S 83)


Bild: Konrad Zuse (1910-1995) beim Basteln in der elterlichen Wohnung
Bildquelle:>[http://www.zib.de/zuse/Inhalt/Galerie/Misc/page_01.htm]

Simon: 1978 Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Informatik, Psychologie "Information verarbeitend Systeme sind zu intelligentem Handeln fähig" vertritt verschiedene Thesen - z.B. Computer können bei geeigneter Programmierung menschliche Fähigkeiten ausüben, menschliche Denkprozesse sind physisch darstellbar und lassen sich durch Computer-Hardware simulieren (aus Jörg Papke, Markus Schröder, KI, Geschichte, Grundlagen, Perspektiven, Grenzen, S 86)


Bild: H. Simon (1916-2001)
Bildquelle:>[http://www.psy.cmu.edu/psy/faculty/hsimon/comp-sci.html]

Verhältnis von technischen Voraussetzungen/Notwendigkeiten zu ideengeschichtlichen Voraussetzungen

Die Erfüllung dieser Prognosen und damit die Umsetzung der Idee, eine intelligente Maschine zu bauen, scheiterte an der Komplexität der technischen Voraussetzungen. Man kann für das Jahr 2002 mit Sicherheit sagen, dass auf dem Gebiet der KI noch ein langer Weg zu gehen ist, möchte man diese Prognosen wirklich erfüllen. Immer wieder haben wir bei unseren Nachforschungen festgestellt, dass zwar auf einzelnen Gebieten sogar gewaltige Fortschritte gemacht wurden, aber die intelligente Maschine, die menschliche Denkprozesse ausübt oder gar sich selbst kopieren kann, gibt es nicht.

Allerdings haben die Wissenschafter nicht aufgegeben, Prognosen für die Zukunft der denkenden Maschinen abzugeben - siehe folgende Vision von Hans Moravec für das Jahr 2050:

„Bis zum Jahre 2050 wird es wandelnde Computer von menschenähnlicher Gestalt geben, die 100 Billionen Instruktionen in der Sekunde ausführen können. Sie werden uns Menschen in zahlreichen Aspekten übertreffen." (Hans Moravec, 2000)

Prognosen und Wirklichkeit

Die Entwicklung des Computers hat die Prognosen weit hinter sich gelassen, Computer werden immer mehr zum Bestandteil des täglichen Lebens, Chips werden bald nicht nur in Elektrogeräten, sondern auch in den Körpern integriert werden. Letzteres ist eigentlich mittlerweile in Amerika zur Realität geworden, indem ein unter die Haut des Arms injizierter Chip Krankheitsdaten eines Patienten enthält, die im Notfall abgerufen werden können.
Die Ideen der Entwickler und die technischen Voraussetzungen hielten jedoch nicht immer Schritt. So waren die Prognosen der fünfziger Jahre sehr weitgehend, sodass angenommen wurde, dass für einen autonomen, hochleistungsfähigen Computer menschenähnlicher Gestalt nur noch die richtige Software fehle. Aus damaliger Sicht würden Roboter Böden wischen, Rasen mähen und lästige Arbeiten abnehmen. Dies ist so nicht eingetroffen, ein sebsttätige Reinigungsmaschine wurde erst vor einigen Jahren in der Billa-Filiale in Purkersdorf in Betrieb genommen.
Die Mechanik der Roboter war weniger das Problem, es fehlt jedoch am "Gehirn". Hans Moravec prophezeit bis 2010 menschengroße mobile Roboter mit den geistigen Fähigkeiten einer Eidechse zum Putzen oder zum Materialtransport. Bis zum Jahr 2040 sollte es eine frei bewegliche Maschine mit den geistigen Fähigkeiten eines Menschen geben.

Roboter
Bild: Roboter mit der 3. Generation mit Computergehirnen, die rund fünf Billionen Instruktionen pro Sekunde ausführen, können geplante Handlungsabläufe "vorausdenken" und werden eine Vielfalt von Routinearbeiten erledigen.
Bildquelle: Spektrum der Wissenschaft Spezial 1/2000


Entwicklung der Rechenleistung als Voraussetzung für Roboter

Moravec beobachtete die Entwicklungen der letzten 30 Jahre. In den 70-er und 80-er Jahren standen Geräte zur Verfügung, die 1 Million Instruktionen pro Sekunde ausführen konnten. Für Roboter kommen ja nur kleinere Maschinen in Betracht, die die Barrieren von 10, 100 und 1000 MIPS durchbrochen haben. Damit sind Anwendungen möglich, die damals noch illusorisch waren. Beispiel: Roboterfahrzeuge mit 25 MIPS wie das NAVLAB. V 1995.
Fortschritte machten Bildverarbeitungssysteme, Schrift- und Spracherkennung, obwohl gerade darin sich die Unterlegenheit gegenüber dem Menschen am deutlichsten zeigt. Für das Überleben der Menschen in der Vorzeit waren spezielle Fähigkeiten notwendig, sodass auch das Gehirn keine universelle Maschine, sondern eine sehr spezialisierte ist. Durch die Sprache ist ein Teil des Gehirns auch zu einer Art Universalmaschine geworden, die beliebigen Regeln folgen kann. Das Rechnen ist durch den Umweg über die Sprache sehr umständlich, der Computer ist in dieser Hinsicht um ein Vielfaches schneller.

Die in der Evolution vom Gehirn erworbenen Fähigkeiten und deren Erreichbarkeit durch Computer

Das Heranführen des Computers an die durch die Evolution erworbenen Fähigkeiten des Gehirns ist laut Moravec nur eine Frage der Zeit. Ein hinreichend hochentwickeltes künstliches System sei im Prinzip zu denselben Leistungen fähig wie das menschliche Gehirn. Dieser Standpunkt war seit jeher umstritten. Es läuft wieder auf die alte Frage hinaus, ob unser Verhalten vollständig durch physikalische Gesetze bestimmt ist, und ob ein solches berechenbar, beziehungsweise mit einem Computer simulierbar ist.
Hier sind wir wieder bei Searle angelangt, dass, wenn ein Objekt etwas nicht versteht, es ein aus solchen Objekten zusammengesetztes Ganzes auch nicht verstehen kann. Moravec sieht diesen Standpunkt schon dadurch entkräftet, dass es Computerprogramme gibt, die Handschriften oder Sprache erkennen können, auch wenn dies noch weit unterhalb des Niveaus von Menschen oder höheren Tieren geschieht. Heutige Computer sind mit den Nervensystemen von Insekten vergleichbar. So orientieren sich Roboter an Leitkabeln oder Täfelchen mit Strichcodes, analog zu Ameisen, die einer Duftspur folgen. Nach Moravec gibt es bislang keinen Anhaltspunkt für einen prinzipiellen Unterschied zwischen Mensch und Robotersimulation. Eine spezifische menschliche Fertigkeit, die auch der rechenstärkste Roboter nicht simulieren kann, sei noch nicht entdeckt.
Die für die Simulation des menschlichen Geistes notwendige Rechenleistung wird folgendermaßen abgeschätzt: Für die Leistung der Netzhaut des Auges sind 1000 MIPS erforderlich. Extrapoliert auf das Gehirn, kommt man auf eine Rechenleistung von 100 Millionen MIPS, also ungefähr 1 Million mal so viel wie die Leistung eines PC. Dies könnte in 30 bis 40 Jahren erreicht werden.

Eine Vision

Die Roboter vollziehen die Evolution der menschlichen Intelligenz nach - nur 10 Millionen mal so schnell. Die künstliche Intelligenz wird die eigene noch vor 2050 überholen. Roboterforscher werden die wissenschaftliche Arbeit übernehmen, unser Weltbild wird den Entdeckungen unserer künstlichen Nachfahren zu verdanken sein.

Aus: Hans Moravec in "Die Roboter werden uns überholen" in Spektrum der Wissenschaft Spezial 1/2000.


Weiterführende Informationen

>[Künstliche Intelligenz und Robotik]
>[Artificial Life]

Print:

>Hans Moravec, Die Roboter werden uns überholen, in: Spektrum der Wissenschaft Spezial 1/2000, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg, Februar 2000.

Verweise auf Arbeiten anderer Gruppen

>[Konzepte und Techniken.Fabriksautomatisierung@Modellierung] Wenn man an Fabriksautomatisierung denkt, kommen einem mit Sicherheit Gedanken an riesige, menschenleere Fertigungshallen in denen Güter wortwörtlich am Fließband produziert werden und Roboter wie Ameisen von einem Ort zum anderen flitzen. Das dies keine reine Science Fiction ist, hat die Automobilindustrie schon eindrucksvoll beweisen. Dies heißt jetzt aber keineswegs, dass in ein paar Jahren nur noch Roboter in den Fabriken arbeiten werden.
>[Konzepte und Techniken.Büroautomatisierung@Modellierung> ] Ein zentrales Konzept der Büroautomatisierung ist das Erreichen des Papierlosen Büros. Bestellungen, interne Memos, Spezifikationen, Urlaubsanfragen und Genehmigungen, Arbeitszeitprodukti-vierung, all das soll ohne die l&auuml;stigen Zettel ablaufen. Die Techniken, um dieses Ziel zu erreichen sind in einerseits die entsprechende Hardware (Computer, Netzwerke, Telekommunikationseinrichtungen), andererseits die Software, die für die Logik und eine gewisse Intelligenz der Werkzeuge des Büros (Computer, Kopierer, ...) sorgt.
>Entstehungskontext | Konzepte und Techniken | Entwicklung und Auswirkungen | Praxis | Bewertung