fit 2002 > Softwareentwicklungsmodelle > Bazaarmodell > Entstehungskontext > Ideengeschichtliche Einflüsse und Umfeld

Überblick


"Wie ein Origami-Trick in flüssigem Neon entfaltete sich seine distanzlose Heimat, sein Land, ein transparentes Schachbrett in 3-D, unendlich ausgedehnt. Das innere Auge öffnete sich zur abgestuften, kanllroten Pyramide der Eastern Seaboard Fission Authority, die leuchtend hinter den grünen Würfeln der Mitsubishi Bank of America aufragte ... Und irgendwo er, lachend, in einer weiß getünchten Dachkammer, die fernen Finger zärtlich auf dem Deck, das Gesicht mit Freudentränen überströmt." >[William Gibson, Neuromancer].

Das Bazaarmodell ist ein direktes Kind technischer Subkulturen, die auf technischer Befähigung basieren. Wissen ist Macht und die Fähigen erlangen Prestige. Der folgende Text versucht nun die Ideologie und die Kultur, in der das Bazaar Modell entstanden ist zu erläutern.

>Cyberpunk und Helden ...technische Überlegenheit als neues Heldentum
>Technik, Rang und Prestige ...die Hackerkultur

Cyberpunk und Helden


Cyberpunk: Ist eine Stilrichtung der Science Fiction, die offiziell durch William Gibsons Roman >[Neuromancer] im Jahre 1994 offiziell begründet wurde. Im Prinzip Porträtiert sie eine Zukunft, in der Konzerne die Macht übernommen haben und die Technik jeden Bereich des menschlichen Lebens berührt. Dieser Prozess geht sogar soweit, dass Menschen Ihren Körper durch das implantieren von Technologie verbessern.
Die Verbindung zu einem alles umfassenden Informationsnetz, der Matrix geschieht direkt durch die Verbindung des menschlichen Gehirns mit dem Computer. Die klassischen Helden in dieser Stilrichtung sind die technische Elite, Decker, die ihre Begabung dazu einsetzen in andere System einzubrechen und dadurch ihre Überlegenheit zu beweisen.

Diese Stilrichtung ist die literarische Weiterentwicklung eines Trends, der heutzutage in der Open Source Bewegung kulminiert. In unserer Welt ist Technologie nicht mehr wegzudenken und die meisten Menschen sind gezwungen sich damit auseinander zu setzen.

Die letzte grosse Veränderung der letzten Jahre ist hierbei eindeutig der Personal Computer, der mittlerweile seinen Weg in die meisten Haushalte gefunden hat. Aber obwohl Computer und Software von vielen Menschen benutzt werden, haben nur Minderheit Kenntnis davon, wie Software funktioniert bzw. wie man sie erstellt.

Die Beschäftigung und das Vordringen von Leuten in diese Materie als Hobby gibt ihnen nun die Gelegenheit sich von anderen abzugrenzen und etwas "Besonderes" zu sein. Sie dringen dadurch in eine eigene, rein auf Befähigung und erworbenen Prestige, basierte Gemeinschaft (siehe unten) ein, die nicht durch Herkunft oder Rasse bestimmt wird.

Sie haben somit die Möglichkeit Helden zu werden. Leute wie Alan Cox (ein bekannter Linux Kernel Programmierer) oder >Linus Torvalds sind Vorbilder in dieser Richtung (im Jahr 1991 waren dies Leute wie >[Donald Knuth]).

Alles das sind Anreize für junge Leute auf Ihrer Suche nach Individualismus und einer Bestimmung, sich dieser Thematik zuzuwenden (so sie die Befähigung dafür besitzen).

Technik, Rang und Prestige


"The use of "hacker" to mean "security breaker" is a confusion on the part of the mass media. We hackers refuse to recognize that meaning, and continue using the word to mean, "Someone who loves to program and enjoys being clever about it." >[Richard M. Stallman, The Gnu Project].

In den 70iger Jahren waren Software und Computerspezialisten eine Seltenheit. Der Markt wurde von Großrechnern dominiert, die ein Vermögen in der Anschaffung kosteten. Somit konnten sich nur große Firmen, Regierungen und Univeristäten eine angemessene Austattung mit Computern leisten. So man doch die Gelegenheit bzw. das Wissen hatte mit Computern umzugehen bzw. diese sogar zu programmieren, war man etwas besonderes und wurde fast mit Ehrfurcht betrachtet.

Gerade in Universitäten und Forschungszentren bildeten sich zu diesem Zeitpunkt Gemeinschaften, die sich intern zu immer höheren Leistungen anstachelten und die Software (der Sourcecode war damals frei erhältlich, da Software als Gratiszugabe zur Hardware gesehen wurde und Firmen sich über jede externe Verbesserung freuten) immer weiter verbesserten. Dementsprechend waren in diesen kleinen Gemeinschaften die Besten auch die mit dem höchsten Ansehen.

Diese Kulturen sollten später als die ersten Hackerkulturen bezeichnet werden.

Anfang der 80iger Jahre hatten sich diese ersten Hackerkulturen überlebt. Software war mittlerweile zu einem eigenen Geschäftszweig geworden, die offene Weitergabe des Sourcecodes war Non Disclosure Agreements gewichen und die meisten der Mitglieder dieser ersten Hackerkulturen hatten Anstellungen bei Unternehmen bzw. eigene >[gegründet].

Der alten Ideologie blieben nur noch wenige treu, einer der berühmtesten davon ist >Richard M. Stallman. Dennoch bildeten sich bald neue Hackercliquen, besonders um die damaligen Homecomputer wie z.B. den C64. Der Fokus hatte sich von Betriebssystemen eher hin zu Demos und Computerspiele verlagert.

Mit dem Ende der klassischen Homecomputer und dem Siegeszug des PCs bildeten sich erneut eigene Gemeinden um diese Geräte. Das Internet bestand in der Form von Usenetgroups und Bulletinboards (BBS) zu denen man Zugang über Analoge Telefonmodems hatte. Obwohl nicht mit dem Internet ab 1995 zu vergleichen, hatten nicht mehr nur Universitäten, Regierungen und Firmen Zugang zu Online Diensten. Die Verfügbarkeit von >[freien Unix Klone] machte die Entwicklung unter Unix auch für Hobbyprogrammierer attraktiv.

Die zugrundeliegende Kultur hatte sich in ihren Grundzügen wenig gewandelt. Die Fähigen waren noch immer die Berühmtesten und Prestige und die Chance zur Elite zu gehören waren noch immer wichtig. Man grenzte sich von der Masse ab, benutzte eine eigene >[Sprache] und hatte
>[eigene Verhaltensregeln].

Zusammenfassend zeichnet sich die Hackerkultur durch folgende Punkte aus:

  • Fokus auf Softwareentwicklung
  • Elitäre Ansätze
  • Versuch durch seine Leistungen zu bestechen
Interessant ist hierbei zu bemerken, dass die Hackergemeinde nicht als generell arrogant zu sehen ist. Eine Vielzahl von Mailinglists versucht Probleme und Fragen zu beantworten und auf Freundlichkeit wird meistens ebenfalls freundlich reagiert.

Weiterführende Informationen


>[Steven Levy, Hackers] Quasi das Standardwerk über die Anfänge der Hackerkultur.
>[Tom Cronin, Moving into the Matrix] Postmodernismus, Cyberpunk und die Rolle der Technik in der Zukunft.
>[Eric S. Raymond, A Brief History of Hackerdom] Die Geschichte der Hackerkultur.
>[Eric S. Raymond, Homesteading the Noosphere] Ein Versuch der Erläuterung der Gebräuche und Eigentumsverhältnisse in der Hackerkultur.

Verweise auf Arbeiten anderer gruppen


> Programmieren als Kunst@Produktionsverhältnisse
Viele Mitglieder der Hackerkultur sehen sich selbst als Künstler; dieser Artikel befasst sich mit dem Thema genauer.

>Entstehungskontext | Konzepte und Techniken | Entwicklung und Auswirkungen | Praxis | Bewertung


Für den Inhalt verantwortlich: Stefan Fuchs, E881, 9627123