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7.1 Was ist Knowledge Engineering?

Knowledge Engineering ist ein relativ junger Begriff, der in der Informatik im Bereich der Wissensakquisition verwendet wird. Er entwickelte sich aus der Situation heraus, dass die Wissensakquisition und der Bereich der Informationsverarbeitung immer wichtiger und komplexer wurden und es sich aus diesem Grund ergab, dass der Prozess der Informationsverarbeitung immer mehr in einzelne Teilbereiche aufgegliedert wurde. Folgende Definitionen sind aufschlußreich über den Bereich, der mit Knowledge Engineering bezeichnet wird:

Laut Hennings [1] umfasst Knowledge Engineering "die Entwicklung einer Methodenlehre und ihre praktische Realisierung für Systeme zur Bereitstellung von Wissen zum Problembehandeln in jeweils eingegrenzten Aufgabenbereichen spezieller Fachgebiete."

Im Vorlesungsskriptum 2002 für Wissensbasierte Systeme findet sich folgene Definition:
"Ingenieursmäßige Methoden für die Erfassung und Darstellung des Expertenwissens."

Und im Buch "A guide to Expert Systems" [2] wird Knowledge Engineering als "Entstehungsprozess eines Expertensystems" bezeichnet.

Aus diesen Definitionen ist klar ersichtlich, dass eine starke Verbindung zwischen Knowledge Engineering und Expertensystemen besteht.

Aus den vorigen Definitionen ergibt sich (auch laut Prof. Eiter (Institut für Informationssysteme, TU-Wien)) eine recht allgemeine, praktikable Definition für Knowledge Engineering:

"Im wesentlichen ist Knowledge Engineering die ingenieursmäßige Tätigkeit, Wissen zu erfassen und zu repräsentieren."

Wichtig hierbei ist die Tatsache, dass es ingenieursmäßig geschieht, d.h. wenn jemand Zeitung liest und seinen Freunden die Neuigkeiten weitersagt, so hat er genauso den Prozess der Wissenserfassung und -repräsentation angewendet, aber um das zu tun, muss er kein Ingenieur sein. Knowledge Engineering bezeichnet nur die Tätigkeiten der Wissenserfassung und -repräsentation, die aufwändige Methoden erfordern und als dessen Endergebnis ein technisches System vorliegt, auf dem das Wissen, das erfasst wurde, permanent zugänglich ist. Dies geht aus den obigen Definitionen für Knowledge Engineering hervor.

Was dies genauer bedeutet, wird wie folgt erläutert: Wenn wir das Beispiel des Zeitungslesers genauer ausführen, so sehen wir, dass dieser sich zunächst Wissen aneignet (durch das Lesen der Zeitung), das Wissen wurde also von der Zeitung in sein Gehirn transferiert, und als Endergebnis ist dieses Wissen jederzeit abrufbar: jederzeit kann derjenige sein Wissen an andere weitergeben, es ist über das Ausgabemedium 'Mund' verfügbar.

In Analogie dazu geschieht beim ingenieursmäßigen Wissenserfassungs- und -repräsentationsprozess folgendes:

  1. Es gibt menschliche Experten, die über Wissen verfügen (Zeitung)
  2. Da die Notwendigkeit besteht, das Wissen vieler Experten zu sammeln, auszuwerten (d.h. die Informationen miteinander zu verknüpfen) und allgemein zugänglich zu machen, wird der Prozess des Knowledge Engineering in Gang gebracht: Knowledge Engineers sammeln das Wissen der Experten zusammen (Zeitung lesen)
  3. Nun wird nach den nötigen Anforderungen ein technisches System entworfen, dass die Information speichern, auswerten und ausgeben kann: ein sog. Expertensystem (Gehirn)
  4. In dieses System wird das gesammelte Wissen transferiert (Zeitungsinformation wird im Gehirn abgespeichert und mit dem bereits vorhandenen Wissen verknüpft <=> Zeitungsleser macht sich Gedanken über das, was er gerade gelesen hat)
  5. Schließlich bedienen User dieses System, stellen Fragen und geben eventuell zusätzliches Wissen ein (Dialog mit dem Expertensystem) - (Zeitungsleser gibt bei einer Diskussion sein Wissen an andere weiter, diese stellen Fragen und geben ebenfalls die ihnen bekannte Information weiter)

Hierbei muss gesagt werden, dass der Prozess Knowledge Engineering nur die Schritte 2 bis 4 umfaßt, und ebenso die tatsächliche Implementierung des Expertensystems nicht in das Aufgabenfeld des Knowledge Engineers fällt: dafür sind Programmierer etc. zuständig.

Der Platz von Knowledge Engineering im Bereich der Wissensakquisition: Im riesigen Bereich der Wissensakquisition ist Knowledge Engineering ein Teilbereich davon, der nicht einfach abzugrenzen ist. Generell ist man geneigt zu sagen, dass alle Tätigkeiten der Informatik, bei denen Wissen erfaßt und allgemein zugänglich gemacht wird, unter diesen Teilbereich fällt. Da allerdings die Einschränkung besteht, dass diese Tätigkeit in einem spezifischen Fachgebiet stattfindet und als Endergebnis ein technisches System hervorbringt, beschränkt sich der Teilbereich des Knowledge Engineering auf den Arbeitsvorgang, bei dem Wissen von Experten in ein entsprechendes, noch zu bauendes System transferiert wird.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Knowledge Engineering den ingenieursmäßigen Vorgang der Wissenserfassung und -repräsentation bezeichnet. Als Endergebnis liegt ein technisches System vor, auf dem das Wissen allgemein verfügbar ist: daraus wird ersichtlich, dass Knowledge Engineering immer an konkrete Anwendungsfälle gebunden ist, d.h. in speziellen, eingegrenzten Fachgebieten zum Einsatz kommt (siehe Definition Hennings). Ebenfalls ist erkennbar, dass durch Knowledge Engineering ein Expertensystem entsteht.


Verweise auf Arbeiten anderer Gruppen: