Christian Fuchs - Technik als Produktionsmittel bei Marx

Es wurde bereits erwähnt, daß Marxens Kapitalismusanalyse und -kritik eine bedeutende Rolle für die Soziologie spielt. Die Theorie von Marx wurde aber in Abschnitt 1 bewußt nicht detailliert behandelt, da Marx quasi der erste Soziologe war, der die Rolle der Technik in der Gesellschaft umfassend analysierte. Daher spielt er für die Techniksoziologie eine bedeutende Rolle. Um aber den Stellenwert der Technik in der Marxschen Werttheorie verstehen zu können, ist zuerst eine Einführung in diese Theorie notwendig. Marx interessiert sich vorwiegend für Gesellschaft in ihrer konkret vorliegenden Form als kapitalistische Gesellschaft. Eine allgemeine Bestimmung gibt er dennoch. Gesellschaft sei "Produkt des wechselseitigen Handelns der Menschen" (MEW, Band 27, S. 452).
Zum Verständnis des Folgenden ist eine Einführung in die Marxschen Grundbegriffe notwendig.

Technik bei Marx

Maschinerie und Wert

Marx hat der Untersuchung der Rolle, die Technik im Kapitalismus spielt, das 13. Kapitel des 1. Bandes des Kapitals gewidmet. Er war daran interessiert, welche Auswirkungen der Einsatz von Maschinen in der Produktion hat. Die "Maschinerie" gilt Marx dabei als Produktionsmittel, sie ist "Mittel zur Produktion von Mehrwert" (Marx, 1867, S. 391). Sie ist Teil des fixen konstanten Kapitals. Ihr Wert wird also durch den Arbeiter bei der Produktion einer Ware nicht vollständig auf das Produkt übertragen, sondern nur ein Teil des Wertes geht durch Abnützung verloren. Die Maschinen müssen daher nicht nach jedem Produktionsschritt beständig erneuert werden, es handelt sich vielmehr um eine unbeständige Reproduktion: Die Maschine wird dann erneuert, wenn sie nichts mehr wert ist, da sie entweder abgenützt oder "moralisch" verschlissen ist (d.h. es gibt in der Zwischenzeit viel bessere und effizientere Maschinen).

Marx betont, daß die Maschinen selbst keinen Wert schaffen, sondern nur ein Hilfsmittel zur Produktion von Mehrwert durch die Arbeitenden sind:

"Gleich jedem Bestandteil des konstanten Kapitals, schafft die Maschinerie keinen Wert, gibt aber ihren eigenen Wert an das Produkt ab, zu dessen Erzeugung sie dient" (Marx, 1867, S. 408).

Technik ist für Marx eine Methode zur Steigerung des relativen Mehrwerts (siehe Marx, 1867, S. 429). D.h., daß sie einen Teil der notwendigen Arbeit in Mehrarbeit verwandelt. Der Maschineneinsatz steigert die Produktivität. Dadurch entsteht eine Intensifikation der Arbeit: In kürzerer Zeit kann mehr Mehrwert produziert werden als vor der technischen Neuerung. Um dies zu verdeutlichen ein anschauliches Beispiel aus der heutigen Informatik: Objektorientierte Programmierung und CASE (Computer Aided Software Engineering)-Tools haben die Produktivität des Softwareingenieurs gesteigert. Während es früher noch Stunden dauern konnte, bis eine Benutzerschnittstelle gestaltet war, geht dies heute mit einigen wenigen Mausklicks. Dadurch kann die Software schneller produziert werden, der Mehrwert entsteht in kürzer Zeit.

Die Intensifikation der Arbeit führe zu ihrer Verdichtung: Sie bewirke eine "vergrößerte Arbeitsausgabe in derselben Zeit, erhöhte Anspannung der Arbeitskraft, dichtere Ausfüllung der Poren der Arbeitszeit, d.h. Kondensation der Arbeit [...] Zusammenpressung einer größeren Masse Arbeit in eine gegebene Zeitperiode" (Marx, 1867, S. 432).

Ein Widerspruch des Maschineneinsatzes besteht laut Marx nun darin, daß die Rate des Mehrwerts dadurch vergrößert wird, daß die Arbeiterzahl verkleinert wird. Normalerweise würde man nämlich annehmen, daß sich die Rate des Mehrwerts (also ) durch eine Erhöhung der Arbeiteranzahl vergrößert, da dann der produzierte Mehrwert steigt. Der Arbeitstag der verbleibenden, nicht überflüssig gewordenen Arbeitenden, würde in seiner Länge immer weiter ausgedehnt, um die Abnahme der Arbeitenden zu kompensieren. D.h.: Weniger Arbeiter arbeiten bei Einsatz neuer Technologien möglicherweise länger als zuvor.

Theoretisch will der Unternehmer, so Marx, den Arbeitstag endlos ausdehnen. Dies finde jedoch Grenzen durch die physische Belastbarkeit der Arbeitenden und die staatliche Möglichkeit der Normierung des Arbeitstages. Daher sei die Intensifikation der Arbeit die vorteilhafteste Methode für die Unternehmer, um immer mehr Mehrwert produzieren zu lassen.

Marx betont, daß die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte (Arbeitskraft, Produktionsmittel wie die Technik, Wissenschaft, Methoden der Organisation von Arbeit und Produktion) hin zu einer höheren Produktionsstufe nicht nur Veränderungen in einer Industrie bewirken, sondern auch daran angeschlossen Veränderungen in vielen anderen. Das Maschinensystem machte z.B. neue Transportmittel (Schiffe, Eisenbahn) nötig. Dadurch wurde wiederum die Stahlindustrie, der Bergbau und die Maschinenindustrie vorangetrieben.

Bewegungsmaschine, Transmissionsmechanismus, Werkzeugmaschine

Die Maschinerie besteht nach Marx aus drei Teilen (siehe Marx, 1867, S. 393ff): die Bewegungsmaschine gewährleistet den Antrieb, indem sie Energie erzeugt. Der Transmissionsmechanismus überträgt die Energie auf die Werkzeugmaschine, mit deren Hilfe die Arbeitenden die eigentliche Arbeit leisten. Durch die Werkzeugmaschine wird der Arbeitsgegenstand verändert. Sie verrichtet dieselben Operationen, die in der Zeit, als Arbeit reine Handarbeit war oder mit Hilfe einfacherer Werkzeuge erledigt wurde, der Arbeiter erledigte. Die Werkzeugmaschine vereint daher viele Werkzeuge in sich, der Produktionsprozeß kann durch ihren Einsatz wesentlich beschleunigt werden.

"Die Maschine [...] ersetzt den Arbeiter, der ein einzelnes Werkzeug handhabt, durch einen Mechanismus, der mit einer Masse derselben oder gleichartiger Werkzeuge auf einmal operiert und von einer einzigen Triebkraft, welches immer ihre Form, bewegt wird" (Marx, 1867, S. 396).

Kooperation

In der einfachen handwerklichen Produktion war die Arbeit kaum geteilt, sondern jeder Handwerker produzierte sein Produkt vollständig selbst.

Unter Kooperation versteht Marx die Arbeitsteilung, die durch Maschinen vorangetrieben und effizienter wird. In der einfachen Form der Kooperation wie bei der Manufaktur war ein Nebeneinander vieler gleichartiger Werkzeugmaschinen zu finden. Es handelte sich um eine "räumliche Konglomeration gleichartiger und gleichzeitig zusammenwirkender Arbeitsmaschinen" (Marx, 1867, S. 399). Die Produktion von einer Ware wurde von einer Maschine erledigt. Mehrere solche Maschinen arbeiteten angetrieben von derselben Bewegungsmaschine nebeneinander.

Das durch die moderne Maschinerie sich ausbildende Produktionssystem bezeichnet Marx als "Maschinensystem". Dieses bedeutet ein notwendiges Nacheinander von zusammengehörigen Teilarbeiten, die von verschiedenen Werkzeugmaschinen erledigt werden. Bestes Beispiel dafür ist das durch die tayloristische Arbeitsorganisation im Fordismus forcierte Fließband. Dieses gab es zwar noch nicht zur Zeit von Marx, nichtsdestotrotz ist es ein gutes Beispiel für den kooperativen Charakter eines Maschinensystems.

Technik und Arbeitslosigkeit

Heute wird die gesellschaftlich notwendige Arbeit durch die Forcierung der Automation des Produktionsprozesses immer weniger. Dies betrifft nicht nur den industriellen Bereich, auch in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsbereich zeigen sich entsprechende Tendenzen. Auch diese Entwicklung beschrieb Marx bereits lange bevor sie zu einem der großen Probleme der Moderne wurde mit dem Begriff des "automatischen Systems":

"Sobald die Arbeitsmaschine alle zur Bearbeitung des Rohstoffes nötigen Bewegungen ohne menschliche Beihilfe verrichtet und nur noch menschlicher Nachhilfe bedarf, haben wir ein automatisches System der Maschinerie" (Marx, 1867, S. 402).

Auch die schon während der Industrialisierung sichtbaren Formen der Arbeitsteilung (einfache Kooperation, Maschinensystem) können als eine einfache Stufe der Automation interpretiert werden.

Die Maschine wandelt, so Marx, variables in konstantes Kapital um: Der Maschinenbetrieb "verwandelt einen Teil des Kapitals, der früher variabel war, d.h. sich in lebendige Arbeitskraft umsetzte, in Maschinerie, also in konstantes Kapital, das keinen Mehrwert produziert" (Marx, 1867, S. 429).

Die Produktivität einer Maschine, so Marx, mißt sich an dem Grad, worin sie menschliche Arbeitskraft ersetzt (Marx, 1867, S. 412). D.h. auch: Das Kapital setzt neue Maschinen nur dann ein, wenn der Einsatz der Maschinen günstiger ist als die Weiterbeschäftigung der ansonsten überflüssig gemachten Arbeitskraft: Für das Kapital wird "der Maschinengebrauch begrenzt durch die Differenz zwischen dem Maschinenwert und dem Wert der von ihr ersetzten Arbeitskraft" (Marx, 1867, S. 414).

Klassische bürgerliche Ökonomen wie MacCulloch oder Senior meinten, daß eine durch Technik verursachte Arbeitslosigkeit nur vorübergehend sein könne, da durch die Anwendung der Maschinen neue Arbeitsplätze geschaffen würden, die eine vollständige Absorption der freigesetzten Arbeiter in den Arbeitsmarkt erlaubten. Marx kritisiert diese Kompensationstheorien (siehe Marx, 1867, S. 461ff): Die Freisetzung von Arbeitenden bedeutet, daß aus KäuferInnen NichtkäuferInnen werden, die Nachfrage wird vermindert, die Profitraten in den entsprechenden Bereichen sinken und es kommt zu weiteren Entlassungen. Eine einfache Kompensation kann m.E. auch deshalb nicht möglich sein, da die freigesetzen Arbeitenden nur sehr unwahrscheinlich die Kompetenzen haben, die für neu geschaffene Arbeitsplätze notwendig sind. Marx gesteht zu, daß die Maschinerie eine Arbeitszunahme erzeuge, diese sei jedoch immer kleiner als die durch die Anwendung bewirkte Arbeitsabnahme. Durch den Maschinenbetrieb wächst die Maschinenindustrie, ihr Wachstum hängt jedoch vom Verhältnis ihres konstanten und variablen Kapitals zu diesen Kapitalteilen in jenen Bereichen, die die Maschinen verwenden, ab. Ein Beispiel: P1 sei der maschinenproduzierender Bereich, P2 der maschinenanwendende. c1, c2, v1, v2 sind die enstprechenden Kapitalteile in P1 bzw. P2, m1 und m2 die Mehrwerte der Maschine als erzeugte Ware in P1 bzw. einer durch diese Maschine in P2 erzeugten Ware. w1=c1+v1+m1, w2 =c2+v2+m2. v1 wird auf Grund des Kapitalwachstums wachsen, v2 relativ sinken (Maschinenanwendung reduziert v relativ zu c). Steigt v1 jedoch zu stark, so werden die Kapitalisten in P2 die Maschine aus P1 nicht kaufen, da sonst c2 derart steigt, daß es günstiger ist, die bisher beschäftigten Arbeiter weiter zu beschäftigen.

Wirkungen des Maschineneinsatzes auf die Situation der Arbeitenden

Marx vertritt die Ansicht, daß durch den Einsatz der Maschinerie die Muskelkraft der Arbeiter unbedeutender wurde. Daher sei die Maschinerie ein Mittel, um die Zahl der Lohnarbeitenden zu vermehren, da nun Frauen- und Kinderarbeit leichter möglich wurde (Marx, 1867, S. 416).

Eltern verkauften damals ihre Kinder an die Kapitalisten, die Kinder mußten sich unter unvorstellbaren Bedingungen der Lohnarbeit stellen. Es kann argumentiert werden, daß die Eltern jedoch so handeln mußten, da sonst das Überleben der Familie nicht möglich gewesen wäre. Es besteht eine Parallele zur Kinderarbeit heute: Auf den ersten Blick könnten wir meinen, sie sollte sofort weltweit verboten werden und daß die Eltern, die ihre Kinder arbeiten schicken, Schuld an dieser Situation haben. Ein Gegenargument kann aber lauten, daß Kinderarbeit in vielen Regionen ein ökonomischer Überlebenszwang ist, der durch das wirtschaftliche System hervorgebracht wird. Diese Argumentation könnt weiters lauten, daß ein sofortiges Verbot unter kapitalistischen Bedingungen eine Steigerung der Armut in den entsprechenden Regionen bedeuten würde und daß daher zuerst die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen, Arbeitsschutz, Arbeitszeitgesetzen und einem Sozialversicherungssystem angebrachter erscheint. Andere Argumentationen betonen zusätzlich, daß es Kinderarbeit solange gäbe, wie der Kapitalismus als Produktionsweise und Gesellschaftsformation besteht, da die Suche nach möglichst günstig ausbeutbaren Objekten einen dem System immanenten Zwang darstelle.

Während der Industrialisierung war die Sterblichkeit von Arbeiterkindern hoch. Für Marx liegt der Grund in der "äußerhäuslichen Beschäftigung der Mütter" (Marx, 1867, S. 420). Marx hatte also anscheinend das Bild, daß Frauen als ihre Pflicht die Kinder aufziehen müssen. Kann ihm dies vorgeworfen werden oder wird damit eine Rückwärtsprojektion von einem heutigen weiterentwickelten Standpunkt aus betrieben? Marx meint auch, daß die Maschinerie auf Grund der Ausweitung von Kinder- und Frauenarbeit den früher noch größeren Widerstand der Arbeiter gebrochen habe. Er unterstellt damit jedoch, daß Frauen und Kinder kein Widerstandspotential besitzen!

Das 13. Kapitel des Kapitals ist nicht nur eine Analyse der Rolle der Technik zu Zeiten der Industrialisierung, sondern stellt durch die vielen Beispiele, die Marx bringt, auch in eindrucksvoller und bestürzender Weise dar, unter welchen Bedingungen damals gearbeitet werden mußte.

Ein Beispiel: Marx berichtet davon, daß in London Mädchen als Haussklaven (sogenannte "little slaveys") dienen mußten. Sie wurden schlecht bezahlt, mußten hart arbeiten, schliefen im Keller oder kalten Dachkammern gemeinsam mit Ungeziefer und Ratten, wurden geschlagen und vergewaltigt usw.

Dialektischer Technikbegriff

Marx hatte sehr wohl begriffen, daß es nicht die Maschinerie an sich ist, die zu sozialen Problemen wie der Arbeitslosigkeit führt. Diese Probleme entstünden viel mehr aus der kapitalistischen Anwendung von Maschinen. Dies zeigt, daß Marx das Verhältnis von Technik und Gesellschaft dialektisch faßte: Die Auswirkungen der Technik seien abhängig von ihrer gesellschaftlichen Einbettung. Eine Technologie könne also unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen völlig andere Auswirkungen haben.

Ein Beispiel von Marx dazu: Maschinen seien eigentlich "das gewaltigste Mittel, die Produktivität der Arbeit zu steigern, d.h. die zur Produktion einer Ware nötige Arbeitszeit zu verkürzen" (Marx, 1867, S. 425). Und das bewertet Marx an sich positiv, denn die Freiheit könne erst dort beginnen, wo die Lohnarbeit aufgehört habe: "Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört" (Marx, 1894, S. 828).

 

Der dialektische Technikbegriff und die Ablehnung des Technikdeterminismus zeigen sich bei Marx auch an Hand des Beispiels des Maschinensturms: Der Maschinensturm in der Form der Zerstörung von Maschinen war ein sozialer Protestschrei im sich industrialisierenden England. Das erste derartige Aufbegehren gegen die neue Verwertungslogik war 1811 die Luditische Rebellion der Strumpfarbeiter in Nottingham. Sie protestierten gegen Entlassungen und Lohnkürzungen, indem sie nachts durch die Straßen zogen und Maschinen zerstörten. Sie hielten also die Technik für den Verursacher sozialer Probleme. 1812 wurde Maschinensturm mit der Todesstrafe belegt. Ist an Armut, Lohnkürzungen und Arbeitslosigkeit, die klar in einem Technikzusammenhang stehen, die Technik selbst Schuld oder ihre gesellschaftliche Einbettung? Marx meinte zum Maschinensturm: "Es bedarf Zeit und Erfahrung, bevor der Arbeiter die Maschinerie von ihrer kapitalistischen Anwendung unterscheiden und daher seine Angriffe vom materiellen Produktionsmittel selbst auf dessen gesellschaftliche Exploitationsform übertragen lernt" (Marx, 1867, S. 452).

 

Nicht die Maschinerie selbst sei also Schuld an den Folgen ihrer Anwendung, sondern die Art und Weise ihrer Anwendung.

Für Marx ist der Technikdeterminismus ein Mittel bürgerlicher Denker, um den möglicherweise Widerstand leistenden Arbeitenden einzureden, der Gegner sei nicht die kapitalistische Anwendung der Technik, sondern die Technik selbst. In der folgenden Passage wird Marxens dialektischer Technikbegriff schön zusammengefaßt: "Die von der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie untrennbaren Widersprüche und Antagonismen existieren nicht, weil sie nicht aus der Maschinerie selbst erwachsen, sondern aus ihrer kapitalistischen Anwendung! Da also die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag verlängert, an sich die Arbeit erleichtert, kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich die Arbeit erleichtert, kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich ein Sieg des Menschen über die Naturkraft ist, kapitalistisch angewandt den Menschen durch die Naturkraft unterjocht, an sich den Reichtum des Produzenten vermehrt, kapitalistisch angewandt ihn verpaupert usw., erklärt der bürgerliche Ökonom einfach, das Ansichbetrachten der Maschinerie beweise haarscharf, daß alle jene handgreiflichen Widersprüche bloßer Schein der gemeinen Wirklichkeit, aber an sich, also auch in der Theorie gar nicht vorhanden sind" (Marx, 1867, S. 465).

Technik wäre also für Marx prinzipiell ein Mittel, um den Menschen das Leben einfacher zu machen und ihnen mehr Zeit und Raum für die freie und selbstbestimmte Gestaltung ihres Lebens zu ermöglichen. Durch die kapitalistische Anwendung der Technik zeige sich aber genau das Gegenteil: Verlängerung des Arbeitstages, Arbeitslosigkeit und Armut. Marx verfällt also weder in Technikoptimismus oder -optimismus, sondern meint: Es ist sowohl ein Einsatz der Maschinerie mit positiven als auch einer mit negativen Folgen für die Menschheit möglich. Dies sei jedoch abhängig vom sozialen Einsatz der Technik, insbesonders vom ökonomischen System. Im Kapitalismus ist für Marx ein sinnvoller Technikeinsatz nicht vorstellbar. Er betont sowohl die Folgen des kapitalistischen Einsatzes der Technik (Wirkung von Technik auf Gesellschaft) als auch die Bedeutung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Technikeinsatzes (Wirkung von Gesellschaft auf Technik).

Vorgeworfen werden könnte Marx, daß er im Rahmen des Fetischcharakters die Verdinglichung als Wesensmerkmal des Kapitalismus charakterisiert, aber selbst Technik ausschließlich in ihrer verdinglichten Form des Produktionsmittels betrachtet. In der marxistischen Diskussion des Technikbegriffes in den 60ern und 70ern zeigte sich eine langsame Loslösung vom verdinglichenden Technikbegriff. In Kapitel 2.1. wurde z.B. auf die Technikdefinition von Johannes Müller hingewiesen, der Technik als Ding und Prozeß sieht und auf jene von Karl-Eugen Kurrer, der Technik als eine Einheit aus Ding, Mittel, Geschick und Prozeß definiert.

Technik und Herrschaft

Für Marx ist Technik ein Mittel zur kapitalistischen Herrschaft der Unternehmer über die Arbeitenden: Er meint, daß sie den Arbeiter vom Inhalt seiner Arbeit befreie, aber nicht von der Arbeit. Im Arbeitsprozeß beherrsche die Maschine den Arbeiter und sauge ihn aus. Marx ist nicht der Meinung, daß die Maschine selbst herrschen kann. Dies widerspräche seinem dialektischen Technikbegriff, der sich gegen den Technikdeterminismus und auch gegen eine Anthropomorphisierung der Technik wendet. Vielmehr beherrsche der Kapitalist den Arbeiter mit Hilfe der Maschine. Es kann gesagt werden, daß die von Marx angenommene Herrschaft des Kapitals über die Arbeit durch die Technik entpersonalisiert wird, da die Maschine als Medium zwischen "Herr" und "Knecht" tritt.

Die Rolle der Technik beim tendenziellen Fall der Profitrate

Technik spielt eine wesentliche Rolle bei der von Marx im 3. Band des Kapitals beschriebenen Tendenz der fallenden Profitrate. Die Argumentation Marxens wird nun dargestellt:

Der Einsatz neuer Maschinerie vermindert die Anzahl der beschäftigten Arbeitenden, sie werden überflüssig, ihr Gebrauchs- und Tauschwert erlischt. Ein Teil von v wird also in c verwandelt, das konstante Kapital produziert jedoch keinen Mehrwert, dieser kann nur aus der lebendigen Arbeit erwachsen. Ein Widerspruch besteht darin, daß die Rate des Mehrwerts dadurch erhöht wird, daß sich die Arbeiterzahl verkleinert. Der Logik folgend, müßten nämlich normalerweise mehr Arbeitende mehr Mehrwert als zuvor schaffen. Hier verhält es sich aber eben umgekehrt: Eine geringere Anzahl von Arbeitenden schafft mehr Mehrwert als zuvor. v nimmt relativ zu c ab (d.h. die organische Zusammensetzung des Kapitals steigt). Um im Warenwert W = c + v + m m mindestens gleich zu halten, muß die Rate des Mehrwerts durch Steigerung von m erhöht werden. Dies kann durch die gesteigerte Produktivität der neuen Maschinerie einfach gewährleistet werden. Der Exploitationsgrad der Arbeit steigt, gleichzeitg nimmt die "überflüssige Arbeiterpopulation" / die "industrielle Reservearmee", also das Heer der Arbeitslosen, zu.

Durch Akkumulation wächst das Kapital. Trotz einer solchen absoluten Zunahme kann durch den Einsatz produktiverer Maschinerie v relativ zu c abnehmen, d.h., daß die organische Zusammensetzung des Kapitals steigt. Marx erläutert den tendenziellen Fall der Profitrate mit folgendem Beispiel: Durch die Entwicklung der Produktivkräfte wächst c relativ und absolut, die Rate des Mehrwerts wird als konstant angenommen. Im Lauf von 5 Zeitschritten stellt sich das in Tabelle 2.1. ersichtliche Ergebnis ein:

i

ci

vi

1

50

100

2

100

100

3

200

100

4

300

100

5

400

100

Tab 2.1..: Beispiel für den tendenziellen Fall der Profitrate (Marx, 1894, S. 221)

Die Profitrate fällt zeitlich. ist dabei konstant, würde jedoch m anwachsen, so auch c und v. Wenn also z.B. bei i=1 c1 und v1 doppelt so groß wären, also c1 = 100 und v1 = 200, so wäre auch m1 höher, z.B. m1=200. An der Profitrate würde dies aber nichts ändern, sie wäre noch immer . Dies zeigt, daß beim tendenziellen Fall der Profitrate v relativ zu c fällt, obwohl die Kapitalmasse durchwegs steigen kann. Wenn also durch Akkumulation das Kapital wächst, also c und v absolut, kann die organische Zusammensetzung des Kapitals trotzdem steigen, wenn c auf Grund der technisch erhöhten Produktivität schneller wächst als v.

Marx erwartete durch den TFPR die Verlendung der Massen, da immer mehr Menschen aus dem Prozeß der Warenproduktion ausgeschlossen würden, wodurch die Arbeitslosigkeit und die Armut zunehmen und die dermaßen proletarisierte Bevölkerung zur sozialen Revolution übergehen würde, die kapitalistische Produktionsweise aufheben würde. "Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die relative Überbevölkerung oder industrielle Reservearmee. Die zur Verfügung stehende Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt, wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber die Reserve im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die ständige Überbevölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschicht der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle, amtlich anerkannte Pauperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation" (Marx, 1867, S. 581f).

Marx betonte auch, daß es Gegentendenzen zum TFPR gibt: die Löhne v können absolut gesenkt werden, es kann versucht werden, daß konstante Kapital zu verbilligen, die Methoden des absoluten und des relativen Mehrwerts sind anwendbar (z.B. Intensifikation der Arbeit durch Steigerung des Exploitationsgrades der Arbeit, etwa: ), der auswärtige Handel und der Absatz von Waren über ihrem Wert (erhöht Profitrate) können gegensteuern (letzteres bedingt die ständige Ausweitung des kolonialen Absatzmarktes), das fixe konstante Kapital entwertet sich unbeständig oder das Kapital wird gewaltsam (z.B. durch Krieg) entwertet. Im vierzehnten Kapitel des 3. Buches des Kapitals beschreibt Marx diese Gegentendenzen detailliert (siehe Marx, 1894, S. 242-250).

Ohne solche Gegentendenzen würde der Kapitalismus zusammenbrechen. Bisher zeig(t)en sich zwar zyklische Krisen des Kapitalismus, Gegentendenzen verhindern aber zumeist den Zusammenbruch.

Der TFPR wurde in der marxistischen Theorie genauso wie die von Marx unpassenderweise so genannte "Anarchie der Produktion", d.h. die unkoordinierte Produktion nach Profitentscheidungen fernab des tatsächlichen Bedarfes, und die Unterkonsumption, d.h. eine Störung im Warenkapitals W&rsquo, das nicht mehr in G&rsquo verwandelt werden kann (z.B. auf Grund mangelnder Nachfrage oder Überproduktion), als eine Ursache von zyklischen Krisen im Kapitalismus betrachtet.

Fazit

 Technik ist bei Marx Produktionsmittel, kapitalistisch verwendet sei sie Mittel zur Produktion von Mehrwert. Marx wendet sich gegen den Technikdeterminismus und entwickelt einen dialektischen Technikbegriff, wobei er davon ausgeht, daß nicht die Maschinerie an sich gesellschaftliche Probleme schaffe, sondern ihre gesellschaftliche Anwendung. Weiters ist Marx an einer Analyse der Folgen des Technikeinsatzes auf das Leben der Arbeiter interessiert. Dies kann so interpretiert werden, daß Marx Technikfolgenabschätzung auf seine eigene Art und Weise betrieben hat. Heute ist die Technikfolgenabschätzung wesentlicher Bestandteil der Techniksoziologie. Daher kann Marx als einer der ersten Techniksoziologen betrachtet werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Back to Main

Mail