Christian Fuchs - Technikfolgenabschätzung
Der im Englischen verwendete Begriff ist "Technology Assessment" (TA), was eigentlich soviel bedeutet wie Technologenbewertung. Die erste Verwendung fand dieser Begriff in einem Bericht des US-Repräsentantenhauses im Jahr 1966. 1972 wurde TA vom US-Senat folgendermaßen definiert:
"Technology Assessment is a term, used to identify a process for generating accurate, comprehensive and objective information about technology to facilitate its effective social management by political decisionmakers. Specifically, technology assessment is the thorough and balanced analysis of all significant primary, secondary, indirect and delayed consequences or impacts, present and foreseen of a technological innovation on society, the environment or the economy" (US-Senate, 1972).
Diese Definition versteht unter TA also die Analyse aller vorhandenen und vorhersehbaren Folgen und Konsequenzen einer technologischen Innovation auf Gesellschaft, Umwelt und Ökonomie.
Prinzipiell kann der Eindruck entstehen, daß Technikfolgenabschätzung nur an einer quantitativen Analyse der Technikfolgen interessiert ist. Es wurde jedoch auch betont, daß TA einen qualitativen Aspekt hat und insbesonders auch eine Bewertung der Folgewirkungen und die Diskussion möglicher Alternativen beinhalten sollte. Eine solche Sichtweise vertritt Paschen (1982), der die Aufgaben der Technikfolgenabschätzung folgendermaßen sieht:
Erforschung und Bewertung des Einsatzes neuer Technologien
Identifikation von Konflikten, die durch den Technikeinsatz entstehen könnten
Handlungsmöglichkeiten zur Verbesserung der betrachteten Technologien aufzeigen
Im deutschen Sprachgebrauch werden Technikfolgenabschätzung und Technikbewertung zumeist nicht synonym verwendet. Technikfolgenabschätzung wirkt auf den ersten Blick eher neutral, während Technikbewertung explizit die politische Bewertung einer Technologie miteinbezieht. Technikfolgenabschätzung hat jedoch (wie jede Wissenschaft) keinen politisch neutralen Charakter, da sie grundsätzlich in soziale und ökonomische Prozesse eingebunden ist und politisch verwendet wird. Wenn z.B. Gutachten über die Auswirkungen einer Technologie von Staat oder Unternehmen in Auftrag gegeben werden, so dienen die Ergebnisse als politisches und ideologisches Mittel, um Akzeptanz oder Ablehnung für den Einsatz einer Technologie zu schaffen.
Gesellschaftliche Dimensionen, in denen sich Auswirkungen des Technikeinsatzes zeigen können, sind z.B. Technik, Wissenschaft, Ökonomie, Ökologie, Kultur, Politik, Administration, Gesundheit, Justiz, Alltag und Verkehr.
Paschen (1986) trifft folgende Einteilung der Technikfolgenabschätzung:
Die probleminduzierte Technikfolgenabschätzung sucht nach technischen Lösungen für bereits vorhandene Probleme. Es sollen die Vor- und Nachteile des Einsatzes bestimmter Technologien für die technische Lösung gesellschaftlicher Probleme gefunden werden. Dies kann zu einer veränderten Bewertung des Beitrags von Technologien zur Problemlösung führen. Paschen betont als wesentliches Ziel, daß bei der probleminduzierten Technikfolgenabschätzung alternative Lösungen für vorhandene Probleme gefunden werden sollten.
Die technikinduzierte Technikfolgenabschätzung versucht die mit dem Einsatz einer Technologie verbundenen Folgen und Gestaltungsmöglichkeiten für die Weiterentwicklung aufzuzeigen. Ziel ist die Verbesserung technischer Lösungen, Resultat kann die Neubewertung einer vorhandenen Technologie sein.
Bei der probleminduzierten Technikfolgenabschätzung gibt es zuerst ein Problem, zu dessen Lösung eine Technik beitragen soll. Bei der technikinduzierten ist die Technik hingegen vor der Technikfolgenabschätzung vorhanden und wird selbst als der Problemfaktor angesehen. Der Unterschied besteht als in einer Wirkungsweise a priori bzw. posteriori.
In der VDI-Richtlinie 3780 wird eine weitere Unterscheidung getroffen: Innovative Technikbewertung erfolgt, wenn für vorhandene Probleme technische Lösungen gesucht werden bzw. dann, wenn bereits erste Lösungen entwickelt worden sind. Technikbewertung kann hier also den Entwicklungsprozeß beeinflussen. Die reaktive Technikbewertung setzt erst bei weitgehendem Abschluß von Forschung und Entwicklung ein. Die Gestaltungsmöglichkeit ist dadurch geringer. Diese Differenzierung scheint jener zwischen problem- und technikinduzierter Technikfolgenabschätzung ähnlich zu sein. Der Unterschied besteht darin, daß probleminduzierte Technikfolgenabschätzung noch vor Forschung und Entwicklung einer Technologie angewandt wird. Innovative und reaktive Technikbewertung setzen in frühen bzw. späten Phasen der Technikentwicklung an. Technikinduzierte Technikfolgenabschätzung betrachtet erst die Auswirkungen eines konkreten Einsatzes.
Eine andere Unterscheidung ist jene zwischen Experten- und Bürgerdiskursen. Letztere können als partizipative Verfahren der TA gesehen werden, die versuchen, vom Einsatz von Technologien Betroffene in einen Diskurs mit KritikerInnen, BefürworterInnen, ExpertInnen, BetreiberInnen, PolitikerInnen, usw. einzubinden, um eine Konsenslösung zu finden. Partizipation verlangt Beteiligung relevanter Akteure und Betroffener sowie die Repräsentativität vorhandener Meinungen im Diskurs und Fairneß. Diskursivität will im Sinn von Habermas Meinungen durch kommunikatives Handeln ohne Zwang (im "herrschaftsfreien Dialog", auf den die Geltungsansprüche der Kommunikation zutreffen) erörtern. Auf die Kritik der partizipativen Ansätze wurde bereits im Rahmen der Diskussion von Mediationsverfahren hingewiesen.
Zu Beginn der Geschichte der TA war diese eine reine Expertenangelegenheit. Die Gestaltungsmöglichkeit der Betroffenen fehlten vollständig. Es wurde im Laufe der Zeit deutlich, daß auf Grund des dynamischen Charakters technischer Systeme keine Sicherheit über deren Verhalten und Auswirkungen zu erlangen ist. Dies führte zu einem Niedergang des Vertrauens in die ExpertInnen. Der Boom partizipativer Verfahren "ist zum einen aus der wachsenden Einsicht in die Grenzen der Möglichkeit, politische Entscheidungen durch eindeutige wissenschaftliche Aussagen über zu erwartende Technikfolgen zu programmieren, und nicht zuletzt auch aus dem wachsenden politischen Konsensbedarf hinsichtlich neuer &lsquoRisikotechnologien&rsquo, wie z.B. der Gentechnik, erklärbar" (Hennen, 1999, S. 565).
Phasen der Technikfolgenabschätzung
Die VDI-Richtlinie 3780 trifft hier folgende Einteilung:
1. Definiton und Strukturierung des Problems:
1.1. Themengenerierung: Es wird für notwendig erkannt, die möglichen Folgen des Einsatzes einer Technologie zu analysieren.
1.2. Problemdefinition: Abgrenzung der Aufgabe, Was genau soll untersucht werden?
1.3. Strukturierung: Festlegen der Rahmenbedingungen, Woher kommen die benötigten Daten und Informationen?, Aufbereitung des Problems
2. Folgenabschätzung:
Mit dem Problem entsprechenden Methoden werden die möglichen Folgen des Technikeinsatzes analysiert. Auf diese Methoden werden wir noch näher zu sprechen kommen.
2.1. Ermitteln des Standes der Technik
2.2. Formulieren des erwarteten Entwicklungszieles der Technik
2.3. Ermitteln des zeitlichen Horizonts der Entwicklung der Technik
2.4. Aufarbeiten historischer Daten ähnlicher Technologien in der Vergangenheit (historische Analogiebildung)
2.5.Ermittlung direkter Folgen der gegenwärtigen und zukünftigen Anwendung der Technik bzw. nach Erreichen des Entwicklungsziels der Technik
2.6. Abschätzung von Folgen, die nicht mehr direkt abgeleitet werden können. Hier spielen Wechselwirkungen eine wesentliche Rolle
2.7. Betrachten möglicher Alternativen
2.8. Formulieren von Bewertungskriterien:
2.9. Vergleich von Folgenabschätzung der analysierten Technologie und der möglichen Alternativen
3. Bewertung
4. Entscheidung
Werte spielen in diesem Schema eine wesentliche Rolle. Die Technikfolgenabschätzung ist daher nicht wertneutral, sondern einerseits Instrument der Politik und andererseits Mittel der politischen Einflußnahme. Jeder Versuch, eine "objective value-free analysis of the consequences of technological applications for society" durchzuführen, ist prinzipiell nicht möglich (Wynne, 1975, S. 117). In der Technik sind Interessen und Werte geronnen, die Handlungen von Individuen und Organisationen strukturieren (Wynne, 1975, S. 136)
Die politikferne Bewertung ist jene der Institutionen, die die Technikbewertung durchführen. Die politiknahe hingegen jene die im institutionalisierten politischen Bereich stattfindet und konkrete Auswirkungen in Form von Gesetzen haben kann. Politikferne und politiknahe Bewertung müssen nicht notwendigerweise übereinstimmen. Die von den durchführenden Institutionen angelegten Bewertungskriterien sind daher nicht zwingend jene derer, die konkrete politische Entscheidungen über den Technikeinsatz treffen. Eine gewisse Übereinstimmung ist jedoch zumeist vorhanden. Oft werden verschiedene Gutachten eingeholt, die zumeist auch unterschiedliche Bewertungskriterien zu Grunde legen. In der politiknahen Bewertung findet oft eine Selektion der zu berücksichtigten Werte statt. Die politikferne Bewertung kann versuchen, durch Festlegung ihrer eigenen Bewertungskriterien Wertorientierungen in den öffentlichen Diskurs einfließen zu lassen.
Technikbewertung und Technikfolgenabschätzung kann als grundsätzlich wertgebunden und politisch betrachtet werden. Welche Werte zur Anwendung kommen oder allgemein gültig sein sollten ist Ansichtssache und eine Frage der Aushandlungsprozesse sozialer Akteure. Die VDI-Richtlinie 3780 nennt z.B. Werte wie Wirtschaftlichkeit, Funktionssicherheit, Sicherheit, Umweltverträglichkeit, Sozialverträglichkeit und Erweiterung des Wohlstandes der Menschen. Die Probleme, die sich bei der Formulierung solcher Werte stellen, sind, daß es keinen gesellschaftlichen Konsens darüber gibt und daß Werte einem sozialen und historischem Wandel unterliegen. So betonen z.B. Gethmann und Grunwald (1996), daß die Autoren der VDI-Richtlinie nicht berücksichtigen, daß "die faktische Akzeptanz von Werten noch nichts über ihre moralische Legitimation aussagt" (S. 24).
Der Kriterienkatalog der Stuttgarter Erklärung der christlichen Kirche nennt als Werte, die im Rahmen der Technikbewertung eine Rolle spielen sollten, Überschaubarkeit, Rückholbarkeit, Fehlertoleranzfreundlichkeit, Bedürfnisgerechtigkeit, Lebensdienlichkeit, Menschengerechtheit, Sozialverträglichkeit, Naturverträglichkeit und Friedensförderlichkeit der Technik.
Farson (1969) nennt als grundsätzliche Rechte der Menschen, die folgedessen durch den Technologieeinsatz auch nicht in Frage gestellt werden dürften, die Rechte auf Muße, Schönheit, Gesundheit, Vertraulichkeit, Aufrichtigkeit, Bildung, Reisen, sexuelle Erfüllung, Frieden und Individualität.
Grundsätzlich sollte bedacht werden, daß die hier genannten universellen Werte und Rechte nicht allgemein gültig sind. Die Weltgesellschaft zeichnet sich vielmehr durch vielschichtige Widersprüche aus, die alles andere als eine globale Gültigkeit der Werte der bürgerlichen Revolution Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, auf die sich die westliche Gesellschaft in ihren Verfassungsdimensionen heute ganz wesentlich beruft, bedeutet. Technik ist ein potentieller Mittler und Verstärker dieser Widersprüche und gesellschaftlichen Probleme. Daher stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Technikfolgenabschätzung durch eine Korrektur der Rahmenbedingungen des Technikeinsatzes zur Lösung dieser Widersprüche und zur Garantierung einer humanen und friedlichen Welt ausreichend beitragen kann oder ob sie ideologisches Instrument zur Konservierung dieser Widersprüche ist.
Dabei muß auch diskutiert werden, ob Technikfolgenabschätzung und Technikbewertung in ihrem Selbstverständnis die Möglichkeit zur grundsätzlichen Gesellschaftskritik vorsehen, da sie sich darüber bewußt sind, daß Werte niemals objektiv sind und daher ein wertneutrales Vorgehen grundsätzlich nicht möglich ist, oder sich auf Vorschläge zur Verbesserung des Einsatzes von Technologien beschränken. Es kann gesagt werden, daß Technikfolgenabschätzung das wechselseitige Verhältnis von Technik und Gesellschaft ausreichend berücksichtigen sollte und daher die Dynamik des Technikeinsatzes und der daraus erwachsenden Auswirkungen und Probleme und die Bedeutung der Gestaltung der Rahmenbedingungen des Technikeinsatzes betrachten und bewerten sollte. Der Technikeinsatz ist von seiner gesellschaftlichen Dimension nicht zu trennen, daher kann Technikfolgenabschätzung grundsätzlich die gesellschaftlichen Probleme und Widersprüche sowie ihre Ursachen in ihre Analyse miteinbeziehen und müßte sich nicht auf äußerliche Kosmetik beschränken. Es ist möglich, zu argumentieren, daß Technikfolgenabschätzung ein ideologisches Mittel ist, um gesellschaftliche Widersprüche als unbedeutend und technisch handhabbar erscheinen zu lassen. Öfters ist also die Kritik an der Technikfolgenabschätzung zu hören, daß sie "affirmativ den gegebenen Techniken und dahinter stehenden politischen und wirtschaftlichen Interessen verhaftet [bleibt], statt auf eine gesellschaftlich für alle Gruppen akzeptierbare Technikeinführung und -gestaltung abzuzielen" (Petermann, 1999, S. 26).
Als Alternative zur Technikbewertung und Technikfolgenabschätzung wurde Technikkritik als Gesellschaftsanalyse vorgeschlagen (Holt, 1977) oder eine interdisziplinäre Technikforschung als Kritik der Probleme der wissenschaftlich-technischen Zivilisation ("technology criticism", Winner, 1977).
Werner Rammert (1993) meint, daß der Technikfolgenabschätzung deutliche Grenzen gesetzt sind: Der dynamische Charakter technischer Entwicklungen mache es für die Technikfolgenabschätzung unmöglich, das Tempo mitzuhalten. Resultat sei, daß, wenn die Technikfolgenabschätzung an einem Ziel angelangt ist, sich die betrachtete Technologie längst in eine andere verwandelt hat oder durch eine neue Variante abgelöst wurde (S. 51).
Rammert betont ebenfalls, daß durch eine Vernetzung technischer Systeme für die Technikfolgenabschätzung nicht im vorhinein absehbare Probleme auftauchen können. Ein Problem sei auch die Bewertung der Folgen, die sich nicht so einfach als gewünschte und unerwünschte, als nützliche und schädliche oder als sozial verträgliche und unverträgliche klassifizieren lassen.
Die Chaos- und Selbstorganisationstheorie betonen, daß komplexe Systeme nicht einer einfachen Kausalität folgen, sondern daß es ein komplexes Verhältnis von Ursache und Wirkung gibt. Eine mechanistische Herangehensweise geht davon aus, daß jede Wirkung eine Ursache hat, daß alle Ursachen und Wirkungen eindeutig einander bijektiv zuzuordnen sind. Folgt man dieser Logik, müßte davon auszugehen sein, daß Technikfolgen weitgehend abschätzbar und daher vermeidbar sind. Die chaostheoretische Herangehensweise vertritt die Auffassung, daß eine Ursache viele Wirkungen haben kann und daß eine Wirkung auf das Zusammenwirken mehrerer Ursachen zurückzuführen sein kann. Eine solche Argumentation in Bezug auf die Technikfolgenabschätzung geht davon aus, daß es keine sicheren technischen Systeme gibt und daß mit unvorhersehbaren Wirkungen gerechnet werden muß.
Das in der Technikfolgenabschätzung zuweilen vorherrschende Bild, daß Risiken vermindert oder ausgeschlossen werden können, wurde von Charles Perrow (1987) getrübt, der davon ausgeht, daß Unfälle in komplexen technischen Systemen unvermeidbar sind. Daher lautet die entsprechende Forderung, daß Systeme mit hohem Risiko nicht gebaut werden sollten. Zur Einschätzung der Risiken technischer Systeme benutzt Perrow folgende Unterscheidungen:
lose VS. eng gekoppelte Systeme: Sind die Elemente des Systems lose gekoppelt, so bestehen Spielräume für alternative Verhaltensweisen (z.B. dezentrale Computer-Netzwerke). In eng gekoppelten Systemen sind die Betriebsabläufe standardisiert und vorprogrammiert, Abweichungen von diesen Normverhalten sind nur sehr begrenzt möglich (z.B. Atomkraftwerk). Eng gekoppelte Systeme sind daher störanfälliger als lose gekoppelte.
lineare VS. komplexe Interaktion der Systemelemente: Bei linearen Interaktionen ist der zukünftige Zustand des Systems aus den Ausgangsbedingungen ableitbar (z.B. Fließband). Bei komplexen Interaktionen gibt es hingegen Rückkopplungen. Ergebnisse werden dabei zu Inputs des Systems, Kettenreaktionen und Selbstverstärkungen sind möglich (z.B. Atomkraftwerk). Meist bestehen auch Mehrfachfunktionen in dem Sinn, daß ein Element mehrere Prozesse gleichzeitig steuert. Tritt eine Störung auf, kann dies zu unvorhersehbaren Interaktionen führen. Die Steuerung und Kontrolle eines komplexen Systems ist daher sehr schwierig bis unmöglich.
Die Sicherheit eines technisches Systems kann, so Perrow, nicht auf die Qualität einzelner Teile reduziert werden, sondern es kommt auf die "Art und Weise, wie die Teile ineinandergreifen und interagieren" (Perrow, 1987, S. 410) an. Systeme, die eng gekoppelt und komplex sind, sieht Perrow als Hochrisikosysteme. Sie sollten entweder verändert werden oder es sollte gänzlich auf sie verzichtet werden.
Otto Ullrich (1979) kritisiert an der technikinduzierten Technikfolgenabschätzung, daß nicht versucht werde, die Technik so zu gestalten, daß Folgewirkungen unterbleiben. Vielmehr würde versucht, die Folgen kostspielig zu beseitigen. "Dieses Verfahren paßt nun bestens ins System einer kapitalistischen Gesellschaft: Probleme werden nicht grundsätzlich gelöst, sondern nur durch einen zusätzlichen Apparat kompensiert. [...] Die großen Firmen verdienen so &lsquozusätzlich auch noch an der Beseitigung der von ihnen verursachten Schäden&rsquo" (Ullrich, 1979, S. 394).
Auch die Technikbewertung biete keine ausreichende Lösung. Sie sei nicht kreativ und ließe des Entstehungsprozeß technologischer Projekte unangetastet. Eine äußere institutionelle Kontrolle von großtechnologischen Projekten sei außerdem problematisch, da negative Auswirkungen oft schwer zu beweisen seien, wenn der Informationfluß nach außen eingeschränkt wird. "Durch TA in der äußeren institutionellen Form allein wird also insgesamt eine ausreichend sichere Bannung der Gefährdung durch den &lsquotechnische Fortschritt&rsquo nicht zu erreichen sein, und durch TA allein wird auch nicht kreativ eine andere, neue Technik produziert werden können, die schon von Haus aus weniger bedrohlich wäre" (Ullrich, 1979, S. 398).
Als weitere Vorwürfe an TA sind immer wieder die mangelnde Wertsensibilität der TA-AnalytikerInnen und der bereits erwähnte Vorwurf der Integration von TA in das herrschende ökonomische und politische System zu hören.
Ropohl (1985) kritisiert, daß TA keine gesicherten Annahmen über die Auswirkungen von Technologien liefern könne, da es an Grundlagenforschung und Gesetzen über das Zusammenwirken von Techniken und ihren Wirkungsfeldern mangle. Nur eine Theorie des technischen Wandels könne eine bessere Prognose bieten. An dieser Ansicht kann kritisiert werden, daß Technikfolgenabschätzung hier mit der Möglichkeit nach sicheren Prognosen gleichgesetzt wird. Technische Systeme verhalten sich jedoch dynamisch, daher sind die Folgen ihres Einsatzes z.T. schwer oder gar nicht absehbar. Durch die Kopplung mehrerer technischer Systeme steigt z.B. die Komplexität des neuen Gesamtsystems, was zu zusätzlichen Prognoseproblemen führt.
Immer wieder taucht auch der Vorwurf des Technikdeterminismus auf, der davon ausgeht, daß Technikfolgenabschätzung Technik nicht als sozialen Prozeß versteht. Die Gestaltung von Technologien a priori werde nicht berücksichtigt, sondern nur die Anpassung von bereits bestehenden Technologien.
Methoden der Technikfolgenabschätzung
In Steinmüller (1999) werden die Verfahren in 3 Gruppen gegliedert:
1. komplexe Verfahren, die den gesamten Prozeß der Technikfolgenabschätzung (siehe das Ablaufschema der VDI-Richtlinie oben) umfassen (z.B. Planungswerkstatt, Szenariostudie, Ökobilanz, Delphimethode)
2. Verfahren, die in einzelnen Phasen des TA-Prozesses angewandt werden (z.B. Trendextrapolation, Umfragen, Brainstorming)
3. methodische Hilfsmittel (z.B. statistische Auswertungsverfahren im Rahmen einer Umfrage)
Kreibich (1995) teilt die Vorgehensweisen in der Technikfolgenabschätzung folgendermaßen ein:
ein exploratives (vorausschauendes) Vorgehen. Entweder werden dazu empirische Daten wie bei der Trendextrapolation oder Expertenurteile wie bei der Delphimethode herangezogen
ein normatives, bewertendes Vorgehen. Die Bewertungskritierien werden entwender vom Gesetzgeber vorgegeben oder in einem Diskurs ausgehandelt
ein gestaltendes, planendes Vorgehen. Dies sind i.d.R. partizipative Verfahren
Ludwig (1995) gibt folgende Übersicht über angewandte Methoden:
Ö |
T |
M |
A |
P |
B |
E |
Ql |
Qn |
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Szenariotechnik | ° |
° |
° |
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Brainstorming | ° |
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Delphi-Methode | ° |
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Morphologie | ° |
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Relevanzbaum-Analyse | ° |
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Entscheidungsbaum | ° |
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Nutzwertanalyse | ° |
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Kosten-Nutzen-Analyse | ° |
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° |
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Lineare Optimierung | ° |
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Dynamische Optimierung | ° |
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Entscheidungstheorie | ° |
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Simulation | ° |
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Wertanalyse | ° |
° |
° |
° |
° |
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Trendextrapolation | ° |
° |
° |
° |
° |
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Verflechtungsmatrix | ° |
° |
° |
° |
° |
° |
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Synektik | ° |
° |
° |
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Regression/Korrelation | ° |
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° |
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Interview | ° |
° |
° |
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Historische Analogiebildung | ° |
° |
° |
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Ökonomische Modellbildung | ° |
° |
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Checklisten | ° |
° |
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° |
° |
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Risiko-Analyse | ° |
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Netzplantechnik | ° |
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Input-Output-Analyse | ° |
° |
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Planungszelle | ° |
° |
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° |
° |
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Petri-Netze | ° |
° |
° |
° |
° |
HERKUNFT: Ö...Ökonomie T...Technik M...Militär ANWENDUNG: A...Analyse P...Prognose B...Bewertung; E....Entscheidung; ART: Ql...Qualitativ Qn...Quantitativ
Einige Methoden der Technikfolgenabschätzung werden nun kurz vorgestellt:
Delphi-Methode
Die Delphi-Methode ist ein Expertenverfahren, bei dem versucht wird, eine Prognose über zukünftige Entwicklungen zu erreichen. Von einer Fachkommission erarbeitete Thesen werden ExpertInnen zur Beurteilung vorgelegt. In darauffolgenden Runden sollen die ExpertInnen ihre Meinung noch einmal überdenken, indem sie sich die anonymisierten Bewertungen und Kommentare ihr KollegInnen anschauen.
Entwickelt wurde diese Methode in den 50er-Jahren in der militärischen RAND-Corporation in den USA. Ziel war, herauszufinden, welche Angriffsziele in den USA die Sowjetunion möglicherweise in Betracht zieht. Als wissenschaftliche Methode wurde Delphi in den 60ern im Rahmen einer Studie über die Vorhersage von Zukunftstrends auf den Gebieten Wissenschaft und Technologie sowie deren gesellschaftliche Folgen.
Ein Problem dieser Methode ist sicherlich, daß Prognosen angesichts der Komplexität und Dynamik der Gesellschaft immer mit Unsicherheit behaftet sind. Als Kennzeichen der Delphi-Methode können festgehalten werden:
Kennzeichen der konventionellen Delphi-Methode sind (Florian/Lührs/Lehmann-Jessen, 1998):
Verwendung eines weitgehend formalisierten Fragebogens,
Befragung von ausgewählten Experten,
Anonymität der Einzelantworten zur Vermeidung persönlicher Einflußnahmen und gruppendynamischer Effekte,
Ermittlung einer statistischen "Antwort" der "Gruppe" zu den einzelnen Fragen (Median, Quartile),
Statistische Rückmeldung der Einschätzungen der Gruppe (Median, Quartile),
(Mehrfache) Wiederholung der Befragung für eine erneute Urteilsbildung der Experten im Lichte der rückgemeldeten Gruppenurteile (meist 2-3 Delphi-Runden),
Beendigung der Befragung bei einer hohen Konvergenz der einzelnen Einschätzungen (synthetische "Gruppenmeinung").
Zur Veranschaulichung der Methoden, die in der Technikfolgenabschätzung verwendet werden, werden wir noch auf ein Beispiel einer Delphi-Umfrage zurückkommen.
Konsensus-Konferenzen, Planungszelle
Die Konsensus-Konferenz ist ein partizipatorisches und diskursives Verfahren. Laien diskutieren mit Experten relevante Fragen neuer Technologien. Die Laien verfassen danach ein Gutachten, daß der Öffentlichkeit und dem Gesetzgeber zugänglich gemacht wird. Solche Konferenzen werden z.B. in Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden veranstaltet. Es wird eine Reihe von Experten ausgewählt, die den Laien bei der Konferenz Rede und Antwort stehen. Im Gegensatz zu anderen Verfahren werden hier nicht Bewertungen von ExpertInnen oder Betroffenen abgeben, sondern von zufällig ausgewählten Laien.
Die Planungszelle unterscheidet sich von der Konsensus-Konferenz dadurch, daß es mehrere kleine Arbeitsgruppen nebeneinander gibt. Die ExpertInnen stellen sich jeder dieser Zellen. Bei der Planungszelle sind 25 zufällig gewählte Erwachsene beteiligt. Bei jeder Sitzung gibt es fünf Gruppen. Die Zusammensetzung ändert sich nach jedem Beratungsschritt. Jeder Referent besucht die 5 Planungszellen. Nach entsprechenden Beratungen und Bewertungen der Mitglieder der einzelnen Zellen werden die 25 Personen neu gruppiert, und die nächste Sitzungsrunde beginnt. Am Ende werden die Ergebnisse, Vorschläge, Empfehlungen und Bewertungen in einem BürgerInnengutachten zusammengefaßt.
Mediation
Dieses diskursive und partizipative Verfahren wurde bereits besprochen.
Planungswerkstatt
Die Planungswerkstatt unterscheidet sich von den Konsensus-Konferenzen und der Planungszelle davon, daß nicht Laien ausgewählt werden, sondern daß sie von Betroffenen selbst organisiert werden soll. Zuerst wird die Problemfeststellung festgelegt. Es gilt, eine konkrete Fragestellung zu erarbeiten und es soll entschieden werden, wer aller an der Planungswerkstatt teilnehmen soll. In der "Erkundungsphase" untersuchen die Beteiligten die Problemlage (mit der Hilfe von Interviews). In der Zukunftswerkstatt werden schließlich Zukunftsszenarien entwickelt: Das Wissen aus der Erkundungsphase wird bewertet und darauf aufbauend die bestehende Situation kritisiert. Danach sollen möglichst phantasievolle Vorschläge zur Problemlösung entwickelt werden, wobei mögliche Hindernisse (Gesetze, Vorschriften, Geld, Zwänge, Normen usw.) nicht berücksichtigt werden sollen. Anschließend sollen auf Basis dieser Szenarien realistische Zukunftsentwürfe entwickelt werden. Dabei werden ExpertInnen einbezogen, die Auskunft über gesetzliche und politische Rahmenbedingungen geben können. Resultat sind schließlich Problemlösungsstrategien.
Produktlinienanalyse
Dieses Verfahren beschäftigt sich mit der Analyse und Bewertung der Auswirkungen von Waren auf Gesellschaft, Ökonomie und Ökologie. Mit Hilfe einer Produktlinienmatrix wird versucht, einzelne Kriterien (z.B. Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Ausmaß der Umweltschonung, Arbeitsqualität bei der Herstellung) in den einzelnen Stufen (Rohstoffgewinnung, Produktion, Transport, Distribution, Handel, Konsum, Beseitigung etc.) des gesamten Prozesses, den die Ware durchläuft, zu quantifizieren.
Qualitatives Interview
Diese Methode geht von der Erhebung des Ist-Zustandes des Einsatzes einer Technologie aus. Die sozialen Folgewirkungen sollen aufgezeigt werden. Zuerst werden an Hand der Sichtung von Forschungsliteratur Hypothesen aufgestellt. Danach wird ein Fragenkatalog ausgearbeitet, der helfen soll, in Interviews mit Betroffenen die Hypothesen zu verifizieren bzw. zu falsifizieren. Nach Durchführung der Interviews wird jedes einzeln ausgewertet und entschieden, ob die Hypothesen zutreffen oder nicht. Danach erfolgt eine Synthese, die ein Endergebnis bringt.
Eine andere Interviewform geht von einer anderen Problemsituation aus: Eine bestehende Weise der Problemlösung soll hinsichtlich der zu erwartenden Folgen mit angestrebten neuen verglichen werden. Es wird ein Fragebogen erarbeitet, der Fragen behandeln soll wie: Kann durch die neuen Maßnahmen das intendierte Ziel erreicht werden? Treten positive Effekte in Vergleich zu der bestehenden Lösung ein? Treten Folgen auf, die diese positiven Wirkungen beeinträchtigen? usw.
Szeneariotechnik
Szenarien werden dabei als Zukunftsentwürfe verstanden. Ein Szenario beinhaltet eine qualitative Beschreibung und detaillierte Darstellung einer zukünftigen Situation und ein Aufstellen des Entwicklungspfades, der dazu führt. Es werden i.d.R. mehrere Szenarien nebeneinander entworfen. Es gibt verschiedene Szenariotechniken. Gemeinsam ist den meisten folgende Vorgehensweise, die z.T. auch wiederholt wird (Steinmüller, 1999b, S. 674):
Problem- bzw. Aufgabenanalyse, Strukturierung des Untersuchungsfeldes
Umfeldanalyse, Identifikation der Einflußfaktoren (Deskriptoren)
Erarbeiten von Projektionen für die Deskriptoren (Trends bzw. Annahmen über die zukünftige Ausprägung)
Konsistenzprüfung, Alternativenbündelung: Bildung konsistenter Annahmenbündel über die künftige Ausprägung der Deskriptoren
Konstruktion der Szenarien aus den konsistenten Annahmebündeln, Scenario Writing
Störereignisanalyse; Akteursanalyse
Wirkungsanalyse: Identifikation möglicher Konsequenzen der Szenarien für das Untersuchungsfeld
Szenario-Transfer: Lösungssuche, Maßnahmenvorschläge, Implementierung
Systemische Organisationsdiagnose und -redesign (OSTO)
Dieses von Rieckmann entwickelte Verfahren ist auf der Basis der allgemeinen Systemtheorie von Bertalanffy und Rappoport entstanden. Es wird dabei davon ausgegangen, daß jede Organisation aus wechselseitig miteinander verbundenen Elementen (soziales Teilsystem, technisches Teilsystem, Organisationsstruktur, Aufgaben, Entscheidungssystem, Informationssystem, Belohnungs- und Kontrollsystem, Entwicklungs- und Erneuerungssystem) besteht. Jede derartige Organisation habe einen Existenzgrund, der sich auf die Bedürfnisse der Umwelt des Systems und die sich daraus ergebenden Austauschprozesse bezieht. Der Sinngrund verweist auf eine längerfristige Sinnhaftigkeit des Existenzgrundes. Um den Existenzgrund zu gewährleisten, produziert die Organisation Outputs (Waren, Dienstleistungen, usw.). Damit dies möglich ist, werden Inputs benötigt (Produktionsmittel, Energie, Information, Rohstoffe, usw.).
Das OSTO-Verfahren versucht all diese Charakteristika und Teilsysteme einer konkreten Organisation zu analysieren. Diese "Diagnose" genannte Phase ist Basis für ein Redesign der Organisation, das Abläufe optimieren helfen soll. Bei der Analyse werden die Outputs betrachtet und versucht, Rückschlüsse auf Vor- und Nachteile der Organisation zu ziehen. Es wird versucht die kausalen Zusammenhänge zwischen Outputs und Systemverhalten aufzuklären. Als weitere Schritte wird versucht, sukzessive Rückschlüsse auf die Gestaltungskomponenten, Strategien, Ziele und den Existenzgrund des Systems zu ziehen. Dadurch sollen Mängel aufgedeckt werden. Das Redesign ist eine Korrekturphase, die sukzessive in umgekehrter Reihenfolge verläuft. D.h., daß zuerst eine mögliche Korrektur des Existenzgrundes in Betracht gezogen wird, dann darauf aufbauend ein Redesign der Systemziele, dann der Strategien der Organisation, usw. erfolgt.
Wertbaumanalyse
Dieses Verfahren soll die Werte von Personen und Gruppen nachvollziehbar machen. In Konfliktsituationen werden dabei VertreterInnen der einzelnen Gruppen interviewt und befragt, welche Werte für sie bei einer Entscheidung (z.B. darüber, ob eine Sondermülldeponie gebaut wird) von Bedeutung sind. Die AnalytikerInnen tragen dann die Werte der befragten Personen in eine Baumstruktur ein (Oberwerte im Stamm des Baumes, Unterwerte in den Ästen). Der aufgestellte Wertbaum muß von der/dem Interviewten bestätigt werden. Ein Problem besteht danach darin, die Wertbäume der verschiedenen Gruppen zu integrieren und daraus einen gemeinsamen Wert- und Kriterienkatalog abzuleiten. Der Gesamtwertbaum ist erst dann vollständig und gültig, wenn er von allen Gruppen akzeptiert wird. Ansonsten muß er immer wieder modifiziert werden. Die Wertbaumanalyse ist sicherlich kein eigenständiges Verfahren der Technikfolgenabschätzung, sondern kann in diskursiven Prozessen unterstützend eingesetzt werden.
Technikpolitische Institutionen
1972 wurde das "Office of Technology Assessment" (OTA) im US-Kongreß gegründet. In der Vorstellung der Abgeordneten sollte TA ein neuer Forschungstyp sein, für die Öffentlichkeit Informationen von technologiepolitischen Entscheidungen bereitstellen, Reaktionen der Öffentlichkeit auf mögliche politische Entscheidungen des Kongresses in Erfahrung bringen, um unpopuläre Maßnahmen zu identifizieren, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Kongreß stärken und eine Basis für Debatten und Entscheidungen im Kongreß liefern (Petermann, 1999, S. 19). "Das OTA wurde konsequent als eine unter der Regie der Politik stehende, dienende wissenschaftliche Einrichtung konzipiert. Es wurde von den Parlamentariern auch erst dann akzeptiert, als organisatorisch die Initiativ- und Kontrollkompetenzen eindeutig bei der Politik angesiedelt waren" (Petermann, 1999, S. 20).
Das OTA existierte, bis ihm von der republikanischen Mehrheit das Budget gestrichen wurde.
In den 80ern gab es in Europa eine Reihe von Gründungen von parlamentarischen TA-Institutionen: das Office Parlementaire des Choix Scientifiques et Technologiques (OPECST, Frankreich), das Parliamentary Office of Science and Technology (POST, Großbritannien), die Netherlands Organization of Technology Assessment (NOTA, Niederlande), der Teknologi-Næ vnet (Dänemark), das Scientific and Technological Option Assessment Project (STOA, Europäisches Parlament) und das Büro für Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag. Die direkt für Parlamente arbeitenden TA-Institutionen sind im European Parliamentary Technology Assessment Network (EPTA) zusammengeschlossen.
Es lassen sich dabei zwei Gruppen unterscheiden: das diskursive Modell (z.B. in Dänemark und den Niederlanden) legt Wert darauf, daß öffentliche Debatten über Technologien geführt werden. Das instrumentelle Modell (z.B. in Frankreich, Großbritannien und der EU) betont die Bedeutung von Expertenanalysen für politische Entscheidungen. Es kann gesagt werden, daß direkt am Parlament arbeitende TA-Institutionen die Aufgabe haben, den Wünschen der Abgeordneten nachzukommen. Das Gegenstück zur Abhängigkeit vom Parlament stellen unabhängige wissenschaftliche TA-Institutionen dar. Als ein Mittelding können parlamentsnahe TA-Institutionen (z.B. in Dänemark, Deutschland) gesehen werden. Sie sind über einen Ausschuß an das Parlament angebunden, aber nicht vollständig von den Wünschen und Bedürfnissen der Parlamentarier abhängig.
In Österreich gibt es das Institut für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ITA). Finanziert wird es von der ÖAW (25%), dem Bundesministerium für Wissenschaft (25%) und aus Drittmitteln (50%). Die Arbeitsbereiche sind Telekommunikation, Biotechnologie, Medical Technology Assessment (MTA) und der Schwerpunkt Grundlagen und Konzepte von TA, in dem technologiepolitische Fragen und Diskurse über TA erörtert werden. Hauptauftraggeber sind diverse Bundesminsterien. Im Bundesminsterium für Bildung, Wissenschaft und Kultur gibt es den Rat für Technologieentwicklung, in dem RepräsentantInnen der Parlamentsparteien, der Sozialpartner und der technologiepolitisch bedeutenden Ministerien vertreten sind. Das ITA erstellt für die Mitglieder des Rates einen TA-Newsletter. Als universitäre Einrichtungen, die sich mit Technikgenese, Technikfolgenabschätzung und Technikbewertung beschäftigen, sind in Österreich das Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung sowie das Institut für Technik und Gesellschaft von Bedeutung.
Technikpolitik ist in das wechselseitige Verhältnis von Technik und Gesellschaft eingebunden. Ihr kommt dabei die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen des Technikeinsatzes durch Gesetze zu regulieren.