Informationsgesellschaftlicher Kapitalismus und die Forderung nach einem universellen, bedingungslosen Grundeinkommen

Christian Fuchs

 

I. Die kapitalistische Entwicklungsdynamik

 

Ökonomie und Gesellschaft haben in den letzten 25 Jahren wesentliche Veränderungen erfahren. Damit verbunden ist der Übergang vom Wohlfahrtsstaat zum neoliberalen Staat, der auf Sozialabbau und Deregulierung setzt und von standardisierter und zentralisierter Massenproduktion zu einer flexiblen, auf Dezentralisierung und Produktionsverlagerung („ökonomische Globalisierung“) beruhenden Produktionsweise (vgl. Fuchs 2001, 2002a, b). Diese Restrukturierungen sind Folgen der ökonomischen Krisen der 1970er-Jahre, durch die sich in allen westlichen Staaten Reduktionen des Profitwachstums ergaben. Der Übergang zum transnationalen High-Tech-Kapitalismus stellt den Versuch dar, diese mangelnde ökonomische Effizienz auszugleichen.

Um dies zu erreichen, wurde auch die Technisierung, Automation und Rationalisierung der Produktion vorangetrieben. Jene gesellschaftlichen Veränderungen, die durch die neuen Technologien vermittelt werden, passieren also nicht zufällig, sondern sind im Rahmen des Strebens nach Profitmaximierung zu betrachten. Technisierung ermöglicht die Beschleunigung der Produktion, d.h. die Produktion einer größeren Warenmenge in kürzerer Zeit mit weniger Arbeitsaufwand. Die auf Profitmaximierung basierende kapitalistische Gesellschaftsform basierte daher schon immer auf der Suche und Weiterentwicklung ökonomisch effizienter Technologien. Dies äußerst sich in einer historisch zunehmenden Technisierung und Verwissenschaftlichung der Ökonomie. Technikentwicklung ist Medium und Resultat der kapitalistischen Entwicklung, neue Technologien ermöglichen Produktivitätssteigerungen, die Suche nach Methoden der Profit- und Produktivitätssteigerung resultiert in der Entwicklung immer neuerer, ökonomisch effizienterer Technologien.

Das Profitwachstum basiert im heutigen neoliberalen Kapitalismus einerseits auf der Computerisierung der Produktion, anderseits auf der Schlechterstellung der abhängig Beschäftigten und sozial benachteiligten Gruppen.

Ende der 60er-/Anfang der 70er-Jahre traten die Widersprüche des auf Massenproduktion und Massenkonsum basierenden fordistischen Entwicklungsmodell des Kapitalismus deutlich hervor, worauf eine gesellschaftliche Krise des Kapitalismus einsetzte. Dafür gab es mehrere Gründe: Das Voranschreiten der Technisierung und Automatisierung der Produktion führte zu einer Krise der Wertproduktion, da die lebendige menschliche Arbeitskraft, die einzig wertschaffend agieren kann, immer stärker durch tote, geronnene Arbeit in der Form von Maschinen ersetzt wurde. Die tayloristische Produktionsweise erreichte ihre eigenen Grenzen. Die Arbeitenden rebellierten immer stärker gegen die hohen physischen und psychischen Belastungen der zumeist monotonen Arbeiten, hinsichtlich der technischen Apparatur waren hohe Wartezeiten und Unregelmäßigkeiten bei der Fließbandproduktion immer häufiger. Vor allem die voranschreitende Entfremdung der Arbeitenden führte zu einer Zunahme der Arbeitsverweigerungen und Streiks und zur Erschöpfung der Produktivitätszuwächse. Des weiteren zeigte sich eine immer stärkere internationale Konkurrenz am Weltmarkt, die den USA schwer zu schaffen machte (Aufstieg von Japan und Europa) und die Rohstoff- und Arbeitskosten stiegen stark an. Zur ökonomischen Krise kam eine ideologische, die sich in der Zunahme der Auflehnung gegen Autoritäten manifestierte, und eine staatliche, da der Staat durch die ökonomische Krise zu wenig Einnahmen zur Verfügung hatte und sich durch das keynesianische Deficit Spending Finanzlücken ergaben (zu den Ursachen der Krise des Fordismus vgl. Aglietta 1979, Destanne de Bernis 1988, Hirsch/Roth 1986, Lipietz 1987). Im Zuge der Krise des Fordismus ergab sich hinsichtlich der Produktionsweise das, was heute vielfach als Übergang zum Postfordismus bezeichnet wird.

Die standardisierte Massenproduktion wird heute immer stärker durch eine diversifizierte Qualitätsproduktion ersetzt, die sich durch Kundenorientierung und kleine Stückzahlen mit hoher Qualität charakterisieren lässt. Produziert wird immer häufiger mit einer flexiblen Fertigungsmaschinerie, die individuell gefertigte Produktserien im Rahmen einer Just-in-Time-Produktion ermöglicht. Produktionseinheiten folgen heute immer weniger einem zentralistischen Aufbau, sondern differenzieren sich immer stärker aus. D.h., dass der Produktionsprozess immer stärker in autonom voneinander abwickelbare Teile zerlegt wird, die von selbständigen betrieblichen Einheiten durchgeführt werden. Innerbetrieblich bedeutet dies den Aufstieg von Teamarbeit und teilautonomen Arbeitsgruppen, auf die gesamtbetriebliche Organisationsstruktur bezogen zeigt sich eine Tendenz zum Outsourcing, d.h. zur Auslagerung von Teilen der Produktion an Subunternehmen und günstige Zulieferfirmen. Das moderne kapitalistische Unternehmen und damit die kapitalistische Ökonomie bekommt immer mehr einen Netzwerkcharakter. Vorreiter der flexiblen Produktionsweise war die japanische Lean Production bei Toyota, weshalb auch häufig vom Toyotismus gesprochen wird. Wesentliches Ziel ist, Profite durch Kostenreduktion zu erhöhen.

Die alten zentralistischen, kommandohaften, auf Überwachung und Kontrolle basierenden Organisationsmethoden des Taylorismus scheinen passé, gefragt sind heute bei den Beschäftigten nicht die Eingliederung in einen monotonen Arbeitsprozess, sondern Motivation, Selbstbewußt­sein, Verantwortungsbewußtsein, Identifikation mit dem Betrieb, Kooperationsfähigkeit, Qualitätsbewußt­sein, Eigeninitiative, permanentes Lernen und verantwortungsvolles Handeln. Arbeitende sollen stärker unternehmerisch denken, woraus sich automatisch die Frage ergibt, ob die neuen flexiblen und partizipativen (?) Arbeitsformen eine stärkere Selbstbestimmung der Arbeitenden mit sich bringen oder eine neue raffinierte Form der Ausbeutung darstellen?

Entfremdung bleibt weiter bestehen, auch jene Entfremdung vom Produkt, die darin besteht, dass die Produktionsmittel und Arbeitsprodukte nicht den Arbeitenden selbst gehören. Ziel ist weniger die Humanisierung der Arbeit als neue Methoden der Maximierung von Profit, die als wesentliches Element neue ideologische Konzepte enthalten. Tatsächlich ergibt sich aus der postfordistischen Produktionsweise auch keine materielle Besserstellung der Arbeitenden. Die Reallöhne stagnieren, Zuwächse bleiben weit unter den Raten des Kapitalwachstums, es zeigt sich ein Ende des Sozialstaats und der wohlfahrtsstaatli­chen Absicherung und es gibt immer mehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse (geringfügige Beschäftigung, Leiharbeit, Werkverträge, Neue Selbständige, Zeitarbeit, Teilzeitjobs etc.), die ohne Untertreibung als Armutsfallen bezeichnet werden können. Im Bereich der New Economy gibt es tatsächlich aber auch Schichten von hoch qualifizierten Arbeitenden, die hohe Gehälter verzeichen können. Der Preis, den sie dafür bezahlen, nimmt allerdings oftmals die Form von unerträglichem Stress, 80-Stunden-Wochen, Mangel an Freizeit und Privatleben, Einsamkeit etc. an. Erich Ribolits spricht hinsichtlich der neuen Arbeitsformen davon, dass Arbeitende dazu gebracht werden sollen, „etwas zu tun, was andere wollen, aber sie gleichzeitig glauben zu machen, dass sie es selbst tun wollen“ (Ribolits 1995).

Die Flexibilisierung, Dezentralisierung, Spezialisierung, Diversifizierung, Informatisierung und Enthierarchisierung der organisatorischen Strukturen des Kapitalismus lässt sich vor allem in Bezug auf die Suche nach neuen Strategien und Bereichen der Kapitalakkumulation im Zuge der anhaltenden Krise des Fordismus betrachten. Resultat ist eine postfordistische Restrukturierung der Ökonomie. Als Tendenzenden postfordistischer Veränderungen der Ökonomie des Kapitalismus können wir abschliessend folgende festhalten:

·      diversifizierte Qualitätsproduktion, flexible Spezialisierung

·      Dezentralisierung der Unternehmensstruktur, Outsourcing, Netzwerkstrukturen

·      Enthierarchisierung der internen Unternehmensorganisation, flache Hierarchien

·      Teamarbeit

·      partizipatorisches Management und neue Unternehmensphilosophien, die die Arbeitenden psychisch integrieren (bzw. zugespitzt formuliert: vereinnahmen und verzwecken) wollen.

·      Just-in-time-Produktion

·      neuer Schub der ökonomischen Globalisierung

·      weitere Tertiarisierung und Informatisierung der Ökonomie

·      Abbau der institutionellen Schranken der Kapitalakkumulation durch Deregulierung

·      Triadisierung des Welthandels und des Kapitalexports

Heute wird vielfach von der Krise des Staates gesprochen. Diese ist einerseits logische Konsequenz der Krise des Fordismus, da die auf Grund struktureller Antagonismen relativ fallenden Profitraten und die sich durch die voranschreitende Rationalisierung ausbreitende Massenarbeitslosigkeit auch eine Verringerung der Steuereinnahmen mit sich bringen, andererseits wurde die Dynamik des Deficit Spendings im Rahmen einer Krise der Kapitalakkumulation unterschätzt. Deficit Spending stellt einen permanenten steuerlichen Vorgriff auf erst zu erwirtschaftendes Kapital dar. Wenn sich aber realökonomische Krisenschwierigkeiten ergeben – die ohnehin auf Grund der vorhandenen antagonistischen ökonomichen Strukturen unvermeidlich sind, was aber wegen der großen Hoffnungen auf eine immerwährende fordistische Prosperität übersehen wurde –, so ist ein Scheitern einer solchen politischen Strategie vorprogrammiert.

Die Veränderungen von Staat und Politik, die wir heute erleben, hängen unmittelbar mit dem zusammen, was heute als „Globalisierung“ bezeichnet wird (Fuchs/Hofkirchner 2001, 2002a, 2002b). Im Kontext des Postfordismus und der ökonomischen Globalisierung ist die Herausbildung des Nationalen Wettbewerbsstaates (vgl. Hirsch 1995, S. 103-121, 139-143) von Bedeutung. Die einzelnen Staaten treten miteinander in Wettbewerb um die günstigsten Rahmenbedingungen der Kapitalakkumulation. Jener Staat, der die Deregulierung und den Sozialabbau am meisten vorantreibt, kann mit dem Wohlwollen des internationalen Kapitals und den sich daraus ergebenden Investitionen und Betriebsansiedlungen rechnen. Durch die neoliberale Deregulierung der Rahmenbedingungen der Kapitalakkumulation wird die Drohung mit der Abwanderung für Konzerne immer einfacher. Resultat davon ist ein Wettbewerb der Nationalstaaten um für das Kapital möglichst günstige Standortbedingungen. Staatliche Politik wird daher immer mehr vom Diktat der Standortpolitik geleitet. Optimale Bedingungen für das Kapital bedeuten dabei immer prekärere Verhältnisse für die Lohnarbeitenden, Armen und Marginalisierten, da sich diese Optimalität nur durch den Wettbewerb um das Dumping der Arbeitsrechte und Sozialstandards herstellen lässt.

Als Veränderungen der Politik in der Ära des postfordistischen Kapitalismus können wir folgende festhalten:

·        Neoliberalismus

·        Nationaler Wettbewerbsstaat, Dominanz der Ökonomie über die staatliche Politik

·        Deregulierung

·        Sozialabbau

·        Ende des Wohlfahrtsstaats/„Sicherheitsstaats“

·        Neue Formen der Durchstaatlichung nach Innen und Außen

·        Emergenz neuer politischer Bewegungen und Formen von außerparlamentarischer und Nicht-Regierungs-Politik

Moderne Computer-, Informations- und Kommunikationstechnologien sind Medium und Resultat der ökonomischen Globalisierung des Kapitalismus. Auf der einen Seite ermöglichen I&K-Systeme durch die Herstellung von raum-zeitlicher Entfernung den Einfluss lokaler Prozesse auf das weltweite Geschehen und umgekehrt. Dadurch stellt sich sowohl eine räumliche und zeitliche Unabhängigkeit ein. Daher können die modernen Informations- und Kommunikationssysteme als Medium der Globalisierung bezeichnet werden. Sie ermöglichen und vereinfachen die globale Kommunikation und den Welthandel. Die Globalisierung, Dezentralisierung und Flexibilisierung des Kapitalismus wird also durch die modernen IKT vorangetrieben, sie werden als Mittel der territorialen Restrukturierung des Kapitalismus eingesetzt. Der Netzwerkcharakter der global agierenden Transnationalen Konzerne wird durch die neuen IKT ermöglicht, letztere sind aber auch das Resultat der ökonomischen und profitgeleiteten Restrukturierungsbewegungen des Kapitals. D.h., I&K-Systeme sind nicht nur Medium der Globalisierung, sondern auch deren Resultat. Es liegt in der Logik des Kapitalismus begründet, dass die Produktivität permanent gesteigert werden muss. Die Kapitalakkumulation muss ständig durch die Entwicklung neuer Technologien besser und optimaler organisiert werden. Ständig neue Automatisierungsschübe sind daher eine logische Konsequenz der kapitalistischen Produktionsweise. Um die Kapitalakkumulation optimal zu organisieren, sind also ständig produktivere Maschinen und neue Technologien notwendig. Daher kann auch argumentiert werden, dass I&K-Systeme und die vernetzenden Technologien nicht zufällig entstanden sind, sondern sich nur durchsetzen konnten, da sie sich auf die Organisation des Kapitalismus positiv auswirken und diesen in dem Sinn bereichern, dass sie die Internationalisierung des Kapitals vereinfachen. In diesem Sinn können die neuen Technologien auch als Resultat der Globalisierung verstanden werden. Sie bedingen als Medium einerseits die Globalisierung, sind also eine von deren Voraussetzungen. Andererseits ist die Globalisierung, ein dem Kapitalismus innewohnender Prozess. Die Internationalisierung des Kapitals, also die notwendigerweise vorhandene globale Dimension des Kapitalismus, benötigt für ihre effiziente Gestaltung entsprechende Verkehrsformen. Die Entwicklung und vor allem die globale Durchsetzung von Schiffahrt, Eisenbahn, Telegraf, Telefon, Funk und Fernsehen, Auto, Flugzeug, Computer und letzten Endes von I&K-Systemen erscheint daher logisch als das Resultat der internationalen Dimension des Kapitalismus.

Diese Zusammenhänge von Globalisierungsprozessen und der beschleunigenden Wirkung von Technologien erkannte bereits Marx (vgl. Fuchs/Hofkirchner 2001): “Wenn einerseits mit dem Fortschritt der kapitalistischen Produktion die Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel die Umlaufszeit für ein gegebenes Quantum Waren abkürzt, so führt derselbe Fortschritt und die mit der Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel gegebne Möglichkeit umgekehrt die Notwendigkeit herbei, für immer entferntere Märkte, mit einem Wort, für den Weltmarkt zu arbeiten“ (Marx 1885, S. 254). Transport- und Kommunikationswesen seien „Waffen zur Erobrung fremder Märkte“ (Marx 1867, S. 475). Wenn heute davon gesprochen wird, dass das Internet die ökonomische Globalisierung vorantreibe, so verweist dies auf nichts anderes als auf die grundsätzliche Funktion von Technologien im Kapitalismus, die Marx bereits im 19. Jahrhundert erkannte.

Der informationsgesellschaftliche Kapitalismus zeichnet sich durch die Zunahme der gesellschaftlichen Bedeutung des Wissens als Produktivkraft aus. Diese Informationsgesellschaft ist aber eigentlich nur halbierte Informationsgesellschaft (Hofkirchner 1999), denn sie hat es noch nicht geschafft, jene Weisheit als Dimension gesellschaftlicher Information zu erlangen, die zur Lösung der globalen Probleme führen würde.

 

I.1. Computerisierung und Informatisierung:

 

Durch die Ausbreitung neuer Computer-, Informations- und Kommunikationstechnologien ergaben sich tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen. Zur Produktion einer Ware muss weniger Arbeitskraft aufgewendet werden als zuvor. Die notwendigen Arbeitskosten und Arbeitsstunden in der Industrie wurden dadurch in den letzten Jahrzehnten wesentlich gesenkt:

Die Arbeitskosten pro hergestellter Ware in der verarbeitenden Industrie reduzierten sich im Laufe der 90er-Jahre in den meisten westlichen Ländern um 10-40%: so etwa in USA, Norwegen um etwa 10%; in Kanada, der BRD um etwa 20%; in  Korea, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Niederlanden um etwa 30%, in Schweden um etwa 40%, etwa gleichbleibend waren die Kosten in Japan und Großbritannien[1].

Die verausgabten Stundenzahlen in der verarbeitenden Industrie nahmen im Zeitraum 1979-2000 deutlich ab: USA –8,7%, Japan –14,5%, Belgien –26,1%, Frankreich –36,2%, Deutschland –28,4%, Italien –18,3%, Niederlande –17,8%, Norwegen –20,6%, Schweden –13,5%, Großbritannien –46,3%[2]..

Gleichzeitig nahm die industrielle Produktivität in diesen Ländern massiv zu. In den Jahren 1979-2000 wurden folgende Zunahmen der Produktivität pro Arbeiter in der verarbeitenden Industrie erzielt: USA +111,3%, Japan +96,4%, Belgien +119,2%, Dänemark +49,0%, Frankreich +89,9%, Deutschland +43,0%, Italien +78,2%, Niederlande +89,5%, Norwegen +30,8%, Schweden +137,0%, Großbritannien +102,8%[3].

Die Technisierung und ökonomische Globalisierung der Produktion resultierte in ökonomischen Vorteilen großer Unternehmen, gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit in den westlichen Ländern stark an und zeigte sich ein sektoraler Strukturwandel der Ökonomie.

Die Arbeitslosenraten betrugen im gesamten EU-Raum während der 90er-Jahre meist um die 10%, zuletzt etwa 7,5%. In Ländern wie Deutschland, Italien, Frankreich, Finnland, Griechenland belief sie sich seit 1993 stets über 8%, in Spanien stets über 10% mit bis zu 25%[4]. In Ländern wie Australien, Japan, Frankreich, den Niederlanden, Deutschland, Italien, Schweden und Großbritannien lagen die Arbeitslosenraten zwischen 1960-1970 immer im Bereich von 0,5%-3%, seit 1985 gibt es in diesen Ländern (mit Ausnahme von Japan) permanent Arbeitslosenraten im Bereich von 7-12%[5]. In der BRD stieg die Zahl der Arbeitslosen von 1980 890.000 auf 1995 3,2 Millionen, in Frankreich im selben Zeitraum von 1,5 Millionen auf 3 Millionen, in Großbritannien von 1,5 Millionen auf 2,5 Millionen und in Japan von 1,1 auf 2,1 Millionen. Eine Ausnahme stellen die USA dar, wo durch eine massive Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse und die Schaffung von Niedriglohnsektoren die offiziellen Arbeitslosenstatistiken in etwa gleich blieben, während jedoch die Armutsraten massiv zunahmen. Die Arbeitslosenzahlen in Österreich zeigen einen deutlichen Anstieg: 1975 58400, 1985 139500, 1995 215700, 2002 240000[6].

Die Technisierung und Informatisierung der Gesellschaft resultiert in sektoralem Strukturwandel. Der primäre Sektor Landwirtschaft nimmt ab (meist unter 10 Prozent der Beschäftigten sind darin tätig), der sekundäre, warenproduzierende Sektor ist rückläufig (und beläuft sich meist um die 30 Prozent), während der Dienstleistungssektor immer größer wird (60 bis 70 Prozent). Während 1960 in den westlichen Staaten etwa 10-30% der Beschäftigten in der Landwirtschaft, 30-45% in der Industrie und 35-55% im Dienstleistungssektor tätig waren, sind es 2000 in der Landwirtschaft 2-5%, in der Industrie 20-30% und im Dienstleistungsbereich 60-75%[7].

Im Bereich der Landwirtschaft nahmen die Beschäftigtenzahlen im Zeitraum 1960-2000 deutlich ab: USA –1,5%, Japan –47,4%, Frankreich –50,5%, Deutschland –24,5%, Italien –62,4%, Niederlande –15,1%, Schweden –49,6%, Großbritannien –36,0%[8].

Auch in der verarbeitenden Industrie nahmen die Beschäftigtenzahlen in den letzten 20 Jahren deutlich ab: so etwa in den USA im Zeitraum 1979-2000 um 12,5%, in Japan um 6,3%, in Belgien um 26,8%, in Dänemark um 3,2%, in Frankreich um 28,5%, in Deutschland um 18,3%, in Italien um 20,3%, in den Niederlanden um 14,9%, in Norwegen um 19,0%, in Schweden 23,7% und in Großbritannien um 41,5%[9].

Im Dienstleistungsbereich sind massive Zuwächse zu verzeichnen (1979-2000): USA +55,5 %, Australien +69,9%, Japan +39,3%, Frankreich +42,9%, Deutschland +69,1%, Italien +38,1%, Niederlande +67,5%, Schweden +19,3%, Großbritannien +35,4%[10].

Häufig wird erwähnt, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit durch den Zuwachs des Dienstleistungssektors kompensiert werden könnte. Dies ist jedoch aus mehreren Gründen unrealistisch:

·        Auch der Dienstleistungsbereich unterliegt Rationalisierungstendenzen. Hier spielen vor allem das Internet und die neuen Medien eine wesentliche Rolle. Wird ein technisches Medium zwischen Anbieter und Konsument einer Dienstleistung geschaltet, so wird der persönliche Kontakt und damit die lebendige Arbeit tendenziell unnötig (Beispiele sind E-Commerce, Internetbuchhandel, virtuelle Reisebüros). Diese Tendenz äußerst sich heute vor allem im Banken- und Versicherungsbereich, wo massiv Beschäftigte abgebaut werden.

·        Es ist unwahrscheinlich, dass der Dienstleistungssektor einen großen Teil der Arbeitslosen absorbieren kann, da es sich bei den Arbeitslosen meist um Rationalisierungsopfer aus niedrig qualifizierten Bereichen handelt (standardisierte Arbeiten lassen sich am einfachsten automatisieren), bei den neu entstehenden Jobs aber vor allem um hoch qualifizierte Tätigkeiten.

·        Es gibt eine Tendenz zur Selbstverstärkung der Arbeitslosigkeit. Steigt die Arbeitslosigkeit, so sinkt die Nachfrage nach Konsumtionsmitteln. Stagnationstendenzen können somit die Produktion und das Wirtschaftswachstum hemmen und zum Abbau weiterer Arbeitsplätze führen. Seit Mitte der 90er-Jahre gibt es etwa in den USA starke Nachfrageschwierigkeiten und einen Kaufkraftschwund. Die Weltökonomie ist heute stark instabil und anfällig für Realisierungskrisen.

·        Die Masse der durch den Einsatz neuer Technologien erzeugten neuen Arbeitsstunden ist i.d.R. wegen ökonomischen Effizienz- und Einsparungsüberlegungen kleiner als die Masse der durch Technikeinsatz eingesparten Arbeitsstunden.

·        Dienstleistungssektor und New Economy sind Bereiche, die vor allem zur Ausweitung der Automation und damit der Verringerung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit beitragen.

·        Die Börsenwerte von New Economy-Unternehmen stimmen meist nicht mit den realen ökonomischen Werten überein, die tatsächlich erzielt werden. Dieser Vorgriff auf erst zu akkumulierendes Kapital resultiert in Finanzblasen und einer Krisenanfälligkeit der New Economy. Beides ist einem dauerhaft stabilen Wachstum der Ökonomie und der Beschäftigungszahlen im Dienstleistungsbereich abträglich.

 

Zusammenfassend kann also gesagt werden, die Informatisierung der Gesellschaft führt zu Produktivitätszuwächsen, einer Reduktion der Arbeitskosten und notwendigen Arbeitsstunden, einem starken Anstieg der Arbeitslosenzahlen und sektoralem Strukturwandel hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft, in der keine Kompensation der ansteigenden Arbeitslosigkeit möglich ist. Das Zeitalter der Vollbeschäftigung ist unter diesen Bedingungen zu Ende, die Lohnarbeit steckt in einer Krise, die ein logisches Resultat der kapitalistischen Entwicklung darstellt.

 

I.2. Prekarisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse:

 

Das Profitwachstum wurde in den letzten beiden Jahrzehnten in den westlichen Industriestaaten auch durch die beständige Ausweitung einer neoliberalen Politik ermöglicht, die auf Niedriglohnpolitik, die Schaffung prekärer und atypischer Beschäftigungsverhältnisse und die Begünstigung von Reichen und Gruppen mit großer ökonomischer Macht setzt:

 

·        Ungleiches Wachstum von Lohn- und Kapiteleinkommen:

Kapitaleinkommen stiegen in den letzten 20 Jahren wesentlich stärker an als Lohneinkommen, die Verteilungsunterschiede nahmen dadurch zu. Während in den meisten westlichen Staaten die Löhne der Produktionsarbeiter in den Jahren 1980-2000 jährlich nur um durchschnittlich 2,5-4,5% stiegen, erhöhten sich die Profite im selben Zeitraum deutlich stärker[11].
So betrug etwa das Profitwachstum in den USA 1980-2000 jährlich durchschnittlich 7,6%[12], das  durchschnittliche jährliches Wachstum der Löhne der Produktionsarbeiter 3,6%.
Die durchschnittliche jährliche Ertragsrate betrug in Großbritannien 1980-2000 11,2%[13], das durchschnittliche jährliche Wachstum der Löhne der Produktionsarbeiter hingegen 4,0%.
Die Lohnquoten, also der Anteil der Personalkosten am Umsatz, haben in Europa in den Jahren 1981-1990 und noch stärker 1991-1998 deutlich abgenommen. In Österreich in den Jahren 1991-1998 betrug beispielsweise die durchschnittliche jährliche Abnahme 3,1%[14]. Je geringer die Lohnquote, desto höher die Profite. In den Jahren 1991-2001 betrug das durchschnittliche jährliche Wachstum der realen Nettoeinkommen je Arbeitnehmer lediglich +0,4%.

 

·        Atypische Beschäftigungsverhältnisse:

Atypisch Beschäftigte befinden sich außerhalb von Vollarbeitsverhältnissen, dies betrifft vor allem Werkverträge, freie Dienstverträge, Scheinselbständigkeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit, Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung und Arbeit auf Abruf. Menschen in solchen Verhältnissen haben i.d.R. keinen oder einen verringerten Anspruch auf Sozialhilfe, geringe Arbeitnehmerrechte und keine betrieblichen Mitbestimmungsrechte. Die Möglichkeit auf atypisch Beschäftigte zurückzugreifen ermöglicht Unternehmen Profitsteigerungen durch staatlich legitimierte Einsparungen bei Lohnnebenkosten. Etwa 1 Million Menschen befinden sich in Österreich in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, dies ist etwa ein Drittel aller Beschäftigten. Den Großteil der atypisch Beschäftigten machen Teilzeitarbeitende aus, davon waren 1999 87% Frauen[15].
1994 waren 2/3 der in den USA geschaffenen Jobs extrem schlecht bezahlt, die Reduktion der Arbeitslosigkeit wurde vor allem dadurch erreicht, dass die Armutsfalle Teilzeitarbeit extrem ausgebaut wurde. Der Beschäftigtungsvermittlungsbetrieb Manpower, der vorwiegend auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse setzt, mit 560.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber der USA. 1993 arbeiteten mehr als 34 Millionen US-Amerikaner auf „Bedarf“, teilzeit, freiberuflich, in Gelegenheitsjobs usw. Mehr als 25% der US-Arbeitnehmer haben einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag oder einen bzw. mehrere Teilzeitjobs (alle Daten nach Rifkin 1995).

 

·        Armut und Einkommensverteilung:

In Österreich gibt es je nach Berechnungsmethode zwischen 750.000 und 1,5 Millionen Armutsgefährdete. Jedes fünfte Kind, jede vierte Alleinerzieherin mit ihren Kindern, jede dritte Pensionistin, jede zweite Durchschnittsfamilie und jeder zweite Arbeitslose ist armutsgefährdet. Laut offiziellem Sozialbericht 1997 des österreichischen Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales sind ca. 1,1 Millionen Menschen in Österreich armutsgefährdet, wenn als Kennziffer ein Pro-Kopf-Haushaltseinkommen unter der Hälfte des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens verwendet wird. Laut Sozialbericht 1999 leben offiziell 340.000 Menschen in akuter Armut, wobei jedoch eine hohe Dunkelziffer anzunehmen ist, da zu den offiziellen Zahlen noch die verdeckte Armut hinzukommt.
In den USA zeigte sich in der Reagan-Ära (1980-1988) ein deutlicher Anstieg der Armut. Waren es laut offizieller Statistik 1979 25.3 Millionen Arme (11.6% der Bevölkerung) , so stieg diese Zahl 1981 auf 31.8 Millionen (14%), 1982 auf 34.4 Millionen (15%) und 1983 auf 35.3 Millionen (15.2%) an (U.S. Department of Commerce/Bureau of the Census 1990, S. 458). Bis 1989 sanken die offiziellen Armutszahlen zwar wieder langsam ab, erhöhten sich jedoch bis 1993 wieder auf 15 Prozent. In Deutschland befanden sich 1994 im Westen 36,8% und im Osten 24,5% der jeweiligen Bevölkerung an oder unter der Armutsgrenze (60% des Durchschnittseinkommens)[16].
Nach Angaben der Luxembourg Income Study befanden sich in Österreich 1987 11,7% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, 1995 17,0%; in Deutschland 1994 13,1%, in Frankreich 1994 14,1%, in Italien 1995 21,1%, in Russland 1995 25,7%, in Großbritannien 1999 21,3% und in den USA 1997 23,9%[17].
Zur Messung der Einkommensverteilung eignet sich der sogenannte Gini-Koeffizient. Daran gemessen ist die Einkommensverteilung in Österreich deutlich ungleicher als im EU-Durchschnitt (Ö: 31,6%, EU: 28,3%[18]). Besonders hoch ist die Ungleichverteilung laut Luxembourg Income Study in den USA (1997: 37,2%), Großbritannien (1999: 34,5%), Russland (1995: 44,7%) und Mexiko (1998: 49,4%)[19]. In vielen westlichen Industrieländern hat das oberste Fünftel der Haushalte knapp die Hälfte der Vermögenseinkommen und über zwei Drittel der Ersparnisse.
Das Gesamtvermögen der drei reichsten Milliardäre übersteigt das gemeinsame Bruttosozialprodukt der 48 ärmsten Länder. Die Einkommenskluft zwischen jenem Fünftel der Bevölkerung des kapitalistischen Weltsystems, das in den reichsten Ländern lebt, und dem Fünftel in den ärmsten Ländern hat sich zwischen 1990 und 1997 von 60 zu eins auf 74 zu eins ausgeweitet. Das Vermögen des reichsten Mannes der Welt (63 Milliarden Dollar) ist größer als das gesamte Jahreseinkommen der 31 ärmsten Länder. 1,2 Milliarden Menschen müssen von weniger als einem Dollar pro Tag leben, 2,8 Milliarden von weniger als zwei Dollar. Über eine Milliarde Menschen hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. An vermeidbaren Krankheiten sterben täglich 30.000 Kinder. 70 Prozent der Armen und zwei Drittel der AnalphabetInnen sind Frauen. 1999 betrug die Entwicklungshilfe westlicher Staaten 56 Milliarden Dollar. Im selben Jahr flossen jedoch 135 Milliarden Dollar Zinszahlungen von den Entwicklungsländern in die westlich-industrialisierten Länder[20]. Die reichsten fünf Prozent der Weltbevölkerung haben Einkommen, die 114 mal höher sind als jene der ärmsten fünf Prozent. In den 1990er-Jahren stieg die Anzahl der extrem Armen in den Ländern Afrikas unterhalb der Sahara von 242 auf 300 Millionen. 20 dieser Länder sind heute ärmer als 1990, 23 ärmer als 1975. 90% der 22 Millionen Menschen, die an AIDS gestorben sind, stammen aus Entwicklungsländern[21]

 

Es zeigt sich also entlang mehrerer Dimensionen, dass die Ungleichverteilung des Reichtums zwischen industrialisierten Ländern und Entwicklungsstaaten und in den westlichen Ländern selbst stark zugenommen hat. Der Großteil der Weltbevölkerung lebt und arbeitet heute in prekären Verhältnissen und der kapitalistischen Weltgesellschaft droht die Verwandlung in eine Vier-Fünftel-Gesellschaft.

 

II. Gründe für ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen

 

Das Profitparadoxon des neoliberalen Kapitalismus besteht darin, dass Profit dadurch gesichert wird, dass die in Vollarbeitsverhältnissen verbleibenden Menschen immer länger arbeiten, während immer mehr Menschen arbeitslos werden und prekär leben. In einer globalisierten und hoch technisierten Gesellschaft gibt es kein Zurück zur Vollbeschäftigung. Die Alternative besteht zwischen der Ausweitung von Ungleichverteilung und Prekarisierung und einer Politik des radikalen Reformismus (siehe Esser/Görg/Hirsch 1994; Hirsch 1995, S. 183-205; Hirsch 2002, S. 190ff) als Schritt zum Ende der Lohnarbeit und einer Gesellschaft freier, selbstbestimmter Tätigkeiten. Soll die Eskalation der globalen Probleme vermieden werden, so ist eine radikale Umverteilung des Reichtums unabdingbar. Ein erster Schritt dazu wäre die Schaffung eines universellen, bedingungslosen Grundeinkommens gemeinsam mit einer radikalen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, einem Ausbau der kollektiven sozialen Sicherungssysteme, einer massiven Anhebung der Entwicklungshilfe, Streichung sämtlicher Schulden der Entwicklungsländer und Anhebung der Besteuerung von Reichtum, Besitz und Kapital.

Grundeinkommen ist ein „Einkommen, das durch eine politische Gemeinschaft an alle Mitglieder bedingungslos auf einer individuellen Basis ohne Bedürfnisfeststellung und Arbeitsnotwendigkeit bezahlt wird“ (Van Parijs 2000: 3). Grundsätzlich ist ein Grundeinkommen auf kommunaler, provinzieller, nationalstaatlicher oder supranationaler Ebene vorstellbar, um eine 4/5-Gesellschaft zu verhindern wäre jedoch unter heutigen Bedingungen die Einführung des Grundeinkommens gekoppelt mit einem effektiven Sozialsystem weltweit auf einmal und gleichzeitig einzuführen (Füllsack 1999). Daher ist hier die Rede von einem universellen Grundeinkommen.  Für eine solche Universalität spricht auch die in unter globalisierten kapitalistischen Verhältnissen gegebene Flexibilität des Kapitals. Die für die Finanzierung des Grundeinkommens unabdingbare verstärkte Kapitalbesteuerung würde im eingeschränkten Raum zu Kapitalflucht und Absiedelung führen. Um eine nachhaltige Umverteilung des Reichtums zu erzielen, darf ein Grundeinkommen kein Ersatz für Sozialleistungen sein, sondern ein Aspekt eines Systems umfassender sozialer Sicherung. Dazu ist auch die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens notwendig, d.h. die Ausbezahlung ist an keinerlei Arbeitsverpflichtung gebunden. Häufig wird vorgeschlagen, Grundeinkommen an alle Menschen unabhängig von Einkommen auszubezahlen. Soll eine wirkliche Umverteilung von oben nach unten erzielt werden, so spielt es keine Rolle, ob das Grundeinkommen an Reiche zuerst ausbezahlt wird und dann indirekt samt zusätzlicher Abschläge eingehoben wird oder ob ein Besteuerungssystem mit direkt umverteilender Wirkung eingeführt wird. Umverteilende Finanzierungsmöglichkeiten ließen sich durch eine verstärkte Besteuerung von Unternehmen und Reichen realisieren (Erhöhung von Umsatzsteuer, Kapitalertragssteuer, Erbschaftssteuer; Einführung einer Steuer für die Vernutzung natürlicher Ressourcen, Wertschöpfungsabgabe, „Maschinensteuer“, Bitsteuer, Landsteuer und Tobin-Steuer).

 

II.1. Ökonomische Argumente für ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen

 

Kompensation für die Nutzung unverdienter externer Ressourcen:

Philippe Van Parijs (2000) argumentiert, dass es in der Gesellschaft unverdiente Ressourcen wie Land, natürliche Ressourcen, geerbtes Eigentum und Arbeitskräfte gibt, die von niemandem geschaffen wurden, aber gratis ökonomisch vernutzt werden. Es handelt sich also um Reichtum, der ohne menschliche Tätigkeiten vorhanden ist, der nicht verdient werden muss, den aber Menschen auf Grund von z.B. Erbschaft, Naturaneignung oder bessere ökonomische Lagen besitzen (Howard 2002). Das Recht auf ein bedingungsloses Grundeinkommen ergebe sich aus dem jedem gleichermaßen zustehenden, möglichst hohen Anteil an unverdienten externen Ressourcen[22]. Jene, die nicht arbeiten können oder wollen, beuten andere nicht aus oder leben auf deren Kosten, sondern erhalten durch das Grundeinkommen einen Anteil an kollektiven Ressourcen. Letzte werden heute nicht kollektiv, sondern individuell angeeignet. D.h. sie kommen nicht allen zu Gute, sondern dienen vorwiegend der Maximierung ökonomischer Profite. Im Kapitalismus werden Reichtum und Einkommen kollektiv geschaffen, aber nicht kollektiv, sondern individuell und auf Basis von Machtverhältnissen und privaten Eigentumsrechten angeeignet. Es ist aber nicht einzusehen, warum ökonomisch dominierende Gruppen ein bevorzugtes Nutzungs- und Aneignungsrecht auf kollektive gesellschaftliche Ressourcen haben sollten. Diejenigen, die gratis von unverdienten Ressourcen profitieren, schulden jenen Menschen, die nicht davon profitieren, Kompensation. Vereinfach ausgedrückt heißt dies, dass Unternehmer Kompensationszahlungen für die Ausbeutung von Mensch und Natur leisten sollen.

 

Kompensation für die Ausbeutung von Mensch und Natur:

Zweck der heutigen kapitalistischen Gesellschaft ist die Akkumulation, also Anhäufung von Kapital. Unternehmen haben die Aufgabe, Profite zu erzielen und zu vermehren. Die Herstellung von Waren und die Ausbeutung der Arbeitskräfte sind Mittel der Gewinnerzielung, die aber nicht primär den Zweck hat, die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Waren werden nicht für das Wohl der Menschen, sondern für den Profit der Wirtschaft produziert. Kapitalakkumulation basiert auf der Produktion von Mehrwert, d.h. abhängig werktätige Menschen arbeiten mehr, als sie bezahlt bekommen. Ein bedingungsloses, universelles Grundeinkommen ist nicht nur ein erster Schritt zur Sprengung der Kapitalform und der auf Ausbeutung basierenden Gesellschaftsformation, sondern stellt auch einen immanenten Mechanismus zur Kompensation der ökonomischen Vernutzung von Arbeitskräften dar. Ein durch Kapitalbesteuerung finanziertes Grundeinkommen stellt daher auch eine wirkliche Mehrwertsteuer dar.

 

Kompensation für die sich aus der Automation ergebenden ökonomischen Vorteile und gesellschaftlichen Probleme:

Durch Automation und Technisierung erreichen Unternehmen eine höhere ökonomische Effizienz und Einsparungen beim Produktionsfaktor Arbeit. Dadurch entstehen jedoch umfassende gesellschaftliche Probleme. Arbeitsplätze werden zu einem raren Gut. Ein Grundeinkommen, das durch umverteilende Maßnahmen finanziert wird, kann auch als eine Art Kompensation der Unternehmen an die Gesellschaft für die sich aus der Informatisierung ergebenden Vorteile erachtet werden. Hinsichtlich des Finanzierungsaspekts ist in diesem Zusammenhang die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe und einer „Maschinensteuer“ von Bedeutung.

 

Verbesserung der Situation von Reproduktionsarbeitenden und hausfrauisierten Beschäftigten:

Die Reproduktion von Leben und Gesellschaft basiert einerseits auf der unmittelbaren Produktionstätigkeit des Menschen, andererseits auf Haus-, Familien-, Sozial- und Reproduktionsarbeit sowie auf Tätigkeiten in den Bereichen Politik, Kultur, Kunst, Bildung,  Wissenschaft und Gesundheit. Die feministische Diskussion der 1980er Jahre hat gezeigt, dass die Produktion von Mehrwert nicht nur auf der unmittelbaren Produktionstätigkeit der Lohnarbeiten basiert, sondern auch auf Tätigkeiten im Haushalt, Beziehungsarbeit, Kindererziehung, Betreuung etc. Diese Tätigkeiten werden heute zumeist von Frauen unbezahlt (oder sehr niedrig bezahlt) geleistet und tragen zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft bei. Daher werden sich auch als Reproduktionsarbeit bezeichnet. Reproduktionsarbeit ist im Kapitalismus ein Ausbeutungsverhältnis, das die Ausbeutung der Lohnarbeitenden ermöglicht[23]. Die Lohnarbeitenden werden zu Ausbeutenden, um fähig zu sein, selbst ausgebeutet zu werden. Im Mehrwert, den das Kapital abschöpft, findet sich also auch die Reproduktionsarbeit, die von den meist weiblichen Hausarbeitenden geleistet wird, um die Lohnarbeit zu reproduzieren. Bereits Rosa Luxemburg sprach davon, dass die Nicht-Lohnarbeit eine wesentliche Bedingung der Kapitalakkumulation darstellt und zur Generierung von Mehrwert, der Basis des Profits und des Kapitalismus, beiträgt. Claudia von Werlhof spricht in Anschluss an Luxemburg von Reproduktionsarbeit als Form der „fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation“ (Werlhof 1992, S. 148). Werlhof versteht unter ursprünglicher Akkumulation allgemeiner als Marx die gewalttätige und räuberische Aneignung von Arbeit, Produkten und Arbeitsfähigkeit (Werlhof 1992, S. 150), dieser Prozess beinhalte auch „den Versuch, weltweit die Frauen und den Boden samt seinen Schätzen unter die Monopolgewalt des Kapitals zu zwingen“ (ebd., S. 148) und bedeute „unmittelbare Gewalt zwecks Raub, wo immer, wann immer und gegen wen immer ‚ökonomisch’ nötig und politisch und technisch möglich“ (ebd., S. 149). Reproduktionarbeit würden ausgebeutet wie eine „bodenähnliche Ressource“ (Werlhof 1991, S. 49), dabei entstünde eine Rente[24]. Auch Maria Mies (1996) betont, dass die kapitalistische Produktionsweise „verschiedene Kategorien von Kolonien“ braucht, „vor allem Frauen, andere Völker und die Natur, um das Modell ewigen Wachstums aufrecht zu erhalten“ (Mies 1996, S. 52). Haushalt und Familie seien Kolonien des kapitalistischen Patriarchats.

Menschen, die in atypischen Beschäftigungsverhältnissen oder unter rassistischen Produktionsbedingungen arbeiten, sind wie Hausfrauen eine Quelle unkontrollierter und unbeschränkter Ausbeutung. Diese Informalisierung und Prekarisierung immer weiterer Teile der Arbeitsverhältnisse in der derzeitigen postfordistischen Phase des Kapitalismus, also die Verallgemeinerung der unfreien und marginalisierten Hausfrauenarbeit, wird als „Hausfrauisierung“ bezeichnet (siehe Mies 1996, S. 26-28). Ziel der Hausfrauisierung ist die Einsparung von Arbeitskosten. 

Ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen ist nicht nur Kompensation für die Ausbeutung der Lohnarbeitenden, sondern auch Kompensation für die Ausbeutung von Reproduktionsarbeitenden und hausfrauisierten Beschäftigten. Grundeinkommen wäre auch eine Anerkennung der Bedeutung von Reproduktionsarbeit, Tätigkeiten im sozialen Bereich, in Erziehung, Ausbildung, Politik, Kultur, Kunst, Wissenschaft, Gesundheit für die Reproduktion der Gesellschaft und des Lebens in ihrer Gesamtheit. Es würde Reproduktionsarbeitende unabhängiger von Lohnarbeitenden machen. Ziel ist nicht die Schaffung einer neuen verelendeten, dienenden Niedriglohnklasse, die eine Verminderung der sozialen Abgaben und damit die Ankurbelung der Kapitalakkumulation ermöglichen, sondern ein erster Schritt zur Abschaffung der Warenform und der Kommodifizierung aller Lebensbereiche, durch den die Verfügbarkeit über freie, selbstbestimmte Zeit außerhalb des Zugriffs durch kapitalistische Zwänge und Kräfte vergrößert werden soll.

 

Bezahlung einer Rente für die individuelle Nutzung der kollektiven gesellschaftlichen Ressource Wissen:

Wir können heute vom informationsgesellschaftlichen Kapitalismus sprechen, da Wissen zu einer immer bedeutenderen Produktivkraft wird, die gesellschaftliche, und dabei insbesondere ökonomische Prozesse wesentlich beeinflusst. Mit der zunehmenden Bedeutung der Herstellungen von Rahmenbedingungen und Infrastruktur der Warenproduktion, wird auch der Stellenwert der Wissenschaft in der heutigen Gesellschaft immer größer.

Wissen hat Eigenschaften, die ökonomischen Interessen nützen: Es verbraucht sich bei Gebrauch nicht stofflich und muss nicht durch Neukauf reproduziert werden. Einmal angeeignetes Wissen wird zwar weiterentwickelt, wodurch weitere Kosten anfallen, aber es gibt fast keine Reproduktionskosten des vorhandenen Wissens, es muss nicht permanent neu (re)produziert werden wie die Arbeitskraft oder Rohstoffe. Wissen kann zu einem sehr geringen Preis unendlich vervielfältigt werden (es wird also in der Form von Kopien billig reproduziert, muss aber selbst nicht reproduziert werden), kann in digitaler Form mittels moderner Informations- und Kommunikations-Technologien global sehr schnell verbreitet werden und die Grenzkosten der Vervielfältigung des Wissens sinken durch die technische Produktivkraftentwicklung immer weiter. Wissen hat einen geringer Wert, d.h. es ist wenig Arbeitszeit zur Produktion einer Kopie einer Informationsware notwendig, wird aber teuer verkauft. Verwissenschaftlichung und der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien bedeuten für Unternehmen die Beschleunigung organisatorischer Abläufe, Effizienz- und Produktivitätssteigerung.

Wissen ist ein soziales, kollektives und historisches Produkt. Unternehmen greifen gratis auf die in der Vergangenheit produzierten, überlieferten Kenntnisse und die Resultate von Ausbildung, Erziehung[25] und Forschung zu. „Der Wert der diversen Formen von Wissen ist mit den üblichen Maßstäben nicht messbar. Die Entstehungskosten allen Wissens werden ja zum größten Teil von der Gesamtgesellschaft getragen: von den Eltern und Erziehern, vom öffentlichen Unterrichts- und (Aus)Bildungssystem, von den staatlichen Forschungszentren und Hochschulen. Aus diesen gesellschaftlichen Vorleistungen wird Privatunternehmen gratis soziales Kapital zur Verfügung gestellt“ (Gorz 2001, S. 3).

Niemand kann Wissen vereinzelt produzieren, es findet immer ein Bezug auf anderes, bereits existierendes Wissen statt. Gesellschaftliche Innovationen sind nur dadurch möglich, dass auf bereits Bestehendem aufgebaut wird, es wird Bezug auf das „soziale Erbe“ der Gesellschaft genommen. Wissensproduktion ist heute ein hochgradig verteilter und kooperativer Prozess. Bereits Marx erkannte den sozialen Charakter des Wissens, er sprach vom „General Intellect“ als „allgemeines gesellschaftliches Wissen, knowledge“ (Marx 1857/58, S. 602) und von „allgemeiner Arbeit des menschlichen Geistes“ als „die wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit Lebenden, teils durch Benutzung der Arbeiten Früherer“ (Marx 1894, S. 114)).

Wissen wird kollektiv produziert, aber als unverdiente externe Ressource ökonomisch verwertet. Trotz dieser kollektiven Produktionsweise werden heute Eigentumsrechte auf Wissen erhoben, die eine individuelle Aneignung ermöglichen. Wissen wird dadurch zur Ware, die der Kapitalakkumulation dient. Dies ist auf einen für den Kapitalismus typischen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Gebrauchswert und Tauschwert zurückzuführen, der sich in der heutigen Informationsgesellschaft als Antagonismus zwischen Wissen als kollektiver Ressource und als Ware äußert. Die Monopolisierung und Kontrolle von Wissen dient ökonomischen Zwecken und schränkt die Möglichkeiten umfassender gesellschaftlicher Partizipation und Meinungsfreiheit der Menschen ein. Um eine solche Monopolisierung durchzusetzen, wurde die rechtliche Möglichkeit eines Copyrights auf geistige Produkte geschaffen, sogenannten intellektuellen Eigentumsrechten.

Ein durch Kapitalbesteuerung finanziertes bedingungsloses Grundeinkommen kann als eine Kompensation dafür angesehen werden, dass ökonomisch dominante Gruppen kollektive Wissensressourcen gratis in Anspruch nehmen. Da sie davon profitieren, schulden sie jenen, die davon ausgeschlossen bleiben, Kompensation. Es gibt kein natürliches Eigentumsrecht auf Wissen und kollektive Ressourcen, das liberale Prinzip des Rechts auf individuelles Eigentum an Produktionsmitteln ist ein künstliches Konstrukt, das die  ungleiche Verteilung von Reichtum und Wohlstand aufrechterhält. Ein bedingungsloses Grundeinkommen stellt die individuelle, privatkapitalistische Aneignung kollektiver Ressourcen in Frage und zielt ab auf eine Gesellschaft, in der jeder über ein Maximum an Zeit für selbstbestimmte Tätigkeit verfügt und die auf Privateigentum und Klassenverhältnissen basierenden ungerechten Verteilungen von Reichtum und Wohlstand aufgehoben sind.

 

Selbstentwicklung ist eine Voraussetzung gesellschaftlicher Produktion:

André Gorz (1989) unterscheidet drei Formen heutiger Arbeit: Die Arbeit für ökonomische Zwecke findet unter entfremdeten Bedingungen statt und umfasst das Eintreten in ein Zwangsverhältnis, um finanzielle Mittel zum Überleben zu erhalten. Hausarbeit und Selbstarbeit garantiert grundsätzliche Notwendigkeiten des täglichen Lebens. Autonome Aktivität und Selbstentwicklungsarbeit dienen der Persönlichkeitsentwicklung und stehen außerhalb von Notwendigkeit und Zwang. Die Produktivität der unmittelbar produktiven Arbeit hängt von der Entfaltung persönlicher Fähigkeit ab, also von Selbstentwicklungsarbeit. Diese sei die Schöpfung von Reichtum an Fähigkeiten, Genüssen, Kreativität, Lebendigkeit. Der Kapitalismus trage heute der Tatsache nicht Rechnung, „dass die im Produktionsprozess verausgabte Arbeitskraft nicht nur reproduziert, sondern auch produziert werden muss und dies nicht nur vom Unterrichts- bzw. Ausbildungssystem, sondern auch durch die informelle Erziehungs- und Selbstentwicklungsarbeit, welche allein den Überschuss an menschlichen Fähigkeiten zu entwickeln vermag, von welchem kritisches Urteilsvermögen, Kreativität, Lernfähigkeit usw. abhängen. [...] Allein ein bedingungsloses Grundeinkommen kann allen, die Selbstentwicklungsarbeit ermöglichen, die sich als Selbstzweck gilt. Ohne bedingungsloses Recht auf Selbstentwicklung kann es keine Wissensgesellschaft geben“ (Gorz 2001: 21). Grundeinkommen und freie, kooperative Wissensproduktionszusammenhänge, die Wissen als kollektives Gut betrachten (Freie Software-Communities, vgl. Meretz 2000) würden einen Vorgriff auf ein Leben jenseits von Markt, Geld und Eigentum darstellen und das Ziel der kollektiven Aneignung der Produktionsmittel verfolgen. Grundeinkommen könne Ausgangspunkt einer alternativen Ökonomie sein.

 

Empowerment der abhängig Beschäftigten:

Ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen stärkt die Rechte der abhängig Beschäftigten, die ihren Arbeitgebern nicht mehr relativ hilflos und erpressbar ausgeliefert wären. Es ist ein Mittel des Empowerment, das Partizipations- und Mitbestimmungsrechte ausbauen, die Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse verhindern und die Qualität von Arbeitsplätzen erhöhen und Arbeitsbedingungen verbessern kann. Gleichzeitig ist es nicht nur Stabilitätsfaktor, sondern im Rahmen einer Politik des radikalen Reformismus auch Mittel zur Emanzipation von Fremdbestimmung und kapitalistischen Zwängen.

 

Sicherung gefährdeter Aktivitäten:

Grundeinkommen kann Aktivitäten mit niedriger Produktivität sichern, die unter Marktbedingungen nicht überlebensfähig wären.

 

Immanente ökonomische Vorteile:

Grundeinkommen stellt die Dominanz der Warenform in Frage und zielt auf ein Leben jenseits von Ausbeutung und entfremdeter Arbeit. Nichtsdestotrotz können sich auch immanente ökonomische Vorteile ergeben. Es gibt also auch Argumente, die möglicherweise Menschen überzeugen können, die auf Grund ihrer ökonomischen Lage und ihres Habitus dem Grundeinkommen in der Regel ablehnend gegenüberstehen. So stärkt Grundeinkommen die Kaufkraft und stimuliert damit die Ökonomie. Es könnten auch neue Arbeitsplätze und ökonomische Bereiche entstehen, da durch eine höhere Nachfrage mehr Güter produziert werden müssen. Die Erste Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er-Jahre wurde u.a. durch eine mangelnde Nachfrage ausgelöst. Grundeinkommen kann die Erziehung zu aktiver Freizeitgestaltung ermöglichen und damit neue Arbeitsplätze schaffen. Menschen in schlechten Lebenssituationen sind in ihrer Produktionsfähigkeit eingeschränkt. Grundeinkommen fördert das selbstverantwortliche Denken auch im ökonomischen Bereich. Die Informationsgesellschaft ist eine Hochrisikogesellschaft, in der auch immer mehr wohl situierte Menschen mit dem Risiko des sozialen Abstiegs, des Unternehmensbankrotts etc. konfrontiert sind. Grundeinkommen hilft, dieses Risiko zu reduzieren.

 

Anerkennung der Vernetzung der Arbeit:

Die moderne Gesellschaft ist im hohen Maße vernetzt, alle Tätigkeiten sind voneinander abhängig. Die Produktion eines Guts ist nicht möglich ohne die Tätigkeiten vieler anderer Menschen in vielen anderen Bereichen. Die Bezahlung der Arbeitenden zu gewissen Marktpreisen ist nicht ein Ausdruck ihrer Leistung, sondern eine beliebige Festlegung. In einer vernetzten Gesellschaft ist die individuelle Leistung eines Arbeitenden nicht genau feststellbar und in einer eindeutigen Geldsumme ausdrückbar. Grundeinkommen könnte diesem Wandel zu einer vernetzten kapitalistischen Tätigkeitsgesellschaft Rechnung tragen.

Dass das Prinzip „jedem nach seinen Werken“ auf Grund der Vernetzung der Arbeit schwer realisierbar ist, wusste bereits Peter Kropotkin im Jahr 1892. Daher sollte man zum Prinzip „jedem nach seinen Bedürfnissen“ und einer bedingungslosen Grundsicherung (einem Wohlstand für alle) übergehen. Er erläutert dies an Hand der Arbeit im Bergbau: „Alle Arbeiter, die in der Mine angestellt sind, tragen zur Kohlenförderung nach Maßgabe ihrer Kräfte, ihrer Energie, ihres Wissens, ihrer Intelligenz und ihrer Geschicklichkeit bei. Und wir können sagen, dass alle das Recht zu leben haben, ihren Bedürfnissen zu genügen, sogar ihren Luxusbedürfnissen, nachdem die Produktion des Notwendigen für Alle gesichert ist. Aber wir können wir ihre Werke abschätzen? Und dann, ist die Kohle denn, die sie gefördert haben, ihr Werk? Ist sie nicht auch das Werk jener Menschen, welche die Eisenbahnlinie, die zur Mine führt und die Straßen, welche von allen ihren Stationen ausgehen, erbaut haben? Ist sie nicht auch das Werk derer, die die Felder bestellt und besäet haben, das Eisen gegraben, die Bäume im Wald gefällt, die Maschinen, in denen die Kohlen verbrannt, konstruiert haben und so fort? Kein Unterschied kann zwischen den Werken der Einzelnen gemacht werden. Sie zu messen nach den Resultaten, führt ins Absurde. Sie zu zerlegen und zu bemessen nach den Arbeitsstunden, führt uns gleichfalls ins Absurde. Es bleibt nur eins: Die Bedürfnisse über die Leistungen zu stellen und zuerst das Recht auf das Leben anzuerkennen, alsdann darauf bedacht zu sein, für den Wohlstand aller derer zu sorgen, welche irgend einen Anteil an der Produktion nehmen“ (Kropotkin 1892, S. 134).

 

II.2. Politische Argumente für ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen

 

Freiheit als Selbstbestimmung auf Basis der Abwesenheit harter Arbeit:

Der Mensch ist ein Wesen, das nach Selbstbestimmung und Freiheit streben kann. Im Kapitalismus stehen dieser Selbstkontrolle des Individuums fremde, von seinem Einzelwillen unabhängige Kräfte wie Kapital und Staat gegenüber, die den Menschen von ökonomischen Zwängen abhängig machen und in Ausbeutungsverhältnisse pressen, in denen er nicht für sich und andere nach eigenen Wünschen tätig ist, sondern fremdbestimmt zur Profitproduktion verzweckt wird.

Eine Reintegration oder Rückkehr des Menschen in sich bedeutet die Aufhebung der menschlichen Selbstentfremdung, die Aneignung des menschlichen Lebens und die Aufhebung der durch Lohnarbeit und Staat gegebenen Entfremdung. Arbeit im Kapitalismus entfremdet den Menschen, denn er muss nach dem ökonomischen Kommando anderer tätig sein und produziert nicht für sich selbst, sondern nach kapitalistischen Interessen. Er kann über die Produkte seiner Arbeit nicht selbst bestimmen, sie gehören ihm nicht.

Ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen ist ein erster Schritt zur Aufhebung der Entfremdung und zur Rückkehr des Menschen in sich selbst als einem zur Selbstbestimmung fähigen Wesen. Es stellt ein Vorgriff auf ein Leben in einer Gesellschaft dar, in der das Verhalten der Menschen nicht durch ökonomische Zwänge und Notwendigkeiten bestimmt wird, sondern in der ein Maximum an freien, selbstbestimmten Tätigkeiten existiert. Also einer Gesellschaft, in der „das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört“ (Marx 1894, S. 828) und in der „die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein“ und die „freie Entwicklung der Individualitäten“ durch die „Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum“ erlaubt (Marx 1857/58: 601). An Stelle der entfremdeten Arbeit tritt ein Reich der Freiheit, in dem der Mensch selbstbestimmt seine Tätigkeiten gestaltet und zu einem viel- und allseitigen Individuum wird.

Die technischen und materiellen Bedingungen für eine freie Gesellschaft sind heute gegeben, da die Technisierung zu einer massiven Reduktion der gesellschaftlich notwendigen Arbeit führt. Im Kapitalismus bedeutet dies aber nicht mehr Freiheit und Selbstbestimmung, sondern Armut und Prekarisierung. Jenseits von Kapital und Staat wäre ein solches Leben in Freiheit und Glück jedoch bereits möglich. Der Einsatz von Technik würde dann nicht Entfremdung, Ausbeutung, Kontrolle, Gleichschaltung, Manipulation und Ende der Individualität bedeuten, sondern die Möglichkeit eines Wohlstandes für alle, eines „Daseins in freier Zeit auf der Basis befriedigter Lebensbedürfnisse“ (Marcuse 1967, S. 242). Möglich ist die historische Stufe der Menschheit, „auf der diese technisch imstande ist, eine Welt des Friedens zu schaffen – eine Welt ohne Ausbeutung, Elend und Angst“ (Marcuse 1965, S. 123) und in der sich „das traditionelle Verhältnis von (notwendiger) Arbeitszeit und Freizeit ins Gegenteil verkehrt und die Freizeit zur ‚Vollbeschäftigung’ wird, über die das Individuum nach Belieben verfügt“ (Marcuse 1961, S. 46). Freiheit ist nur denkbar auf Basis der „Freiheit von harter Arbeit“ (Marcuse 1967, S. 145). Ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen in ausreichender Höhe und im Rahmen eines Ausbaus sozialer Sicherung bedeutet einen Schritt zu einer freien Tätigkeitsgesellschaft.

 

Entkopplung von Lohnarbeit und Existenzsicherung als Maßnahme der Armutsbekämpfung:

Grundeinkommen entkoppelt Lohnarbeit und Existenzsicherung und kann ein Ende der Lohnabhängigkeit bedeuten. Es ist daher eine Maßnahme zur Armutsbekämpfung und zur Sicherung sozialer Gerechtigkeit.

 

Friedenssicherung, politische Stabilität, Lösung der globalen Probleme:

Durch den Anstieg von Armut und Arbeitslosigkeit wird die Weltgesellschaft immer stärker entzweit, Resultat sind eine Zunahme von Gewalt, Krieg, Rassismus und Nationalismus. Ein universelles Grundeinkommen kann einen Beitrag zu Friedenssicherung, politischer Stabilität und zur Lösung der globalen Probleme leisten.

 

Demokratisierung, Stärkung der gesellschaftlichen Reflexionsfähigkeit:

Eine Gesellschaft benötigt Reflexionsmechanismen, die eine kritische Überprüfung der Entwicklung ermöglichen, andernfalls wird sie tendenziell totalitäre Gesellschaft. Eine Gesellschaft mit Fähigkeit zur Selbstkritik benötigt Menschen, die kritikfähig und kritisch sind und sich politisch engagieren und beteiligen. Für die Entwicklung solcher politischen Fähigkeiten brauchen die Menschen ausreichende Zeit. Grundeinkommen kann einen Beitrag zur Demokratisierung und Stärkung der gesellschaftlichen Reflexionsfähigkeit leisten (Lerner 1998).

 

Zeit für politische Gestaltung:

Grundeinkommen kann der Entpolitisierung entgegenwirken, indem es Freiräume für politisches Engagement in NGOs eröffnet. Durch mehr freie Zeit können sich neue Formen der politischen Gestaltung und Kooperation ergeben.

 

Abschwächung gesellschaftlicher Risiken:

Der neoliberale Kapitalismus ist eine Hochrisikogesellschaft. Das Risiko des sozialen Abstiegs betrifft alle Menschen, auch Reiche und Unternehmer sind davor nicht prinzipiell geschützt. Grundeinkommen kann ein Mechanismus zur Abschwächung gesellschaftlicher Risiken sein.

 

Ressourcenschonung und Verwaltungsvereinfachung:

Grundeinkommen kann zur Ressourcenschonung, weniger gesellschaftlichen Kosten, Verwaltungsvereinfachung und –dezentralisierung beitragen.

 

II.3. Ethische Gründe für ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen:

 
Menschenrecht soziale Sicherheit:
Ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen kann zur Gewährleistung des Menschenrechts auf soziale Sicherheit beitragen. Im Artikel 22 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es: „Jeder Mensch hat als Mitglied der Gesellschaft Recht auf soziale Sicherheit. [...] er hat Anspruch darauf [...] in den Genuss der für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen“. Im kapitalistischen Weltsystem werden elementare Menschenrechte wie jenes auf Leben und Sicherheit permanent verletzt, der Menschenrechtsbegriff wird pervertiert und instrumentalisiert, um ökonomische Interessen auf Kosten eines immer größer werdenden Teils der Weltbevölkerung durchzusetzen.
 
Verteilungsgerechtigkeit:
Grundeinkommen kann eine gerechtere Verteilung von Wohlstand und Reichtum ermöglichen
 
Gesellschaftliche Solidarität:
Grundeinkommen ist ein wichtiger Aspekt gesellschaftlicher Solidarität.
 
Selbstrespekt:
Grundeinkommen ermöglicht es Menschen, entwürdigende Jobs nach eigenem Ermessen abzulehnen

 

Flexibilität und Selbstbestimmung:

Grundeinkommen ermöglicht eine flexiblere, selbstbestimmte Lebensgestaltung. Flexibilität entspricht heute den Wünschen von Unternehmen und heißt zumeist: Arbeit auf Abruf ohne soziale Sicherung zu Niedrigstlöhnen. Claus Offe formuliert dies folgendermaßen: Kapitalistisch verordnete Flexibilität bedeutet, dass sie Menschen sich angewöhnen müssen, „mit weniger Einkommen auszukommen, in einem anderen als dem erlernten Beruf tätig zu werden, auf Abruf den Betrieb und Wohnort zu wechseln, von Vollzeit- in Teilzeitarbeit umgesetzt zu werden und hin und wieder auch einmal von Werkaufträgen zu leben; v. a. auch für die Kosten ihrer Qualifikation selbst aufzukommen und sich insgesamt durch die Kürzung öffentlicher Sicherungsleistungen "aktivieren" zu lassen. Die Menschen, so lautet die Auskunft, müssen ein "unternehmerisches" Verhältnis zu sich selbst und der eigenen Arbeitskraft entwickeln. Das bedeutet: sie müssen ihm Hinblick auf mögliche zukünftige Vorteile durchaus reale gegenwärtige Nachteile in Kauf zu nehmen bereit sein, ohne dass die Wahrscheinlichkeit des Erfolges noch die Erträglichkeit der Nachteile von irgendeiner dritten Seite verbürgt werden könnten“[26]. Grundeinkommen ermöglicht individuelle Wahlmöglichkeiten, z.B. Pausen zwischen zwei Jobs, kürzere Lebensarbeitszeit, mehr Zeit für Ausbildung, Selbstentwicklung etc.

 
Selbstkontrolle:
Grundeinkommen wird dem Wunsch der Menschen gerecht, ihr Leben und ihre Arbeit selbst zu kontrollieren.
 
Verwirklichung elementarer Bedürfnisse:
Grundeinkommen kann zu mehr Wohlbefinden, Gesundheit, Kreativität und Wissen der Menschen führen. Dies bedeutet die Verwirklichung elementarer Bedürfnisse und die Steigerung von Motivation und Leistungsfähigkeit.
 
Existenz- und Überlebensrecht:
Grundeinkommen sichert das moralische Recht der Menschen auf Existenz und Überleben, das heute nicht für alle Menschen gegeben ist
 
Menschenwürde:
Grundeinkommen kann die Menschenwürde und ein Recht auf Selbstbestimmung realisieren helfen. Viele Unterstützungsempfänger empfinden die Prozeduren und häufigen Schikanen an Arbeits- und Sozialhilfe-Ämtern  als entwürdigend, dies schwächt Selbstbewusstsein und die Fähigkeit zur Eigeninitiative. Bei vielen wird das Gefühl erweckt, sie seien eine Last der Gesellschaft und an ihrem Schicksal seien nicht gesellschaftliche Verhältnisse, sondern sie selbst schuld. Durch ein Grundeinkommen könnten Verbesserungen erreicht werden.
 
Glück und Lebensqualität:
Grundeinkommen kann eine Maximierung des Glücks und der Lebensqualität für so viele Menschen wie möglich über einen größtmöglichen Zeitraum sichern (Vivant 1997)
 
III. Grundeinkommen und Bürgergeld
 
Ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen ist nicht grundsätzlich eine emanzipatorische Maßnahme, sondern kann auch bestehende Ungleichheiten verstärken. So hat etwa der neoliberale Ökonom Milton Friedman bereits in den 1960er Jahren ein Grundeinkommen in Form einer negativen Einkommenssteuer in Kombination mit einer Flat-Tax und der vollständigen Abschaffung kollektiver sozialer Schutzmechanismen vorgeschlagen. Dadurch würden Kapitaleinkommen steuerlich begünstigt, soziale Risiken individualisiert und erhöht sowie Profite durch das Abwälzen sozialer Kosten auf den Einzelnen maximiert. Um die weitere Verschärfung der bestehenden sozialen Probleme zu vermeiden, muss ein Grundeinkommen Teil eines Ausbaus der kollektiven sozialen Sicherheit sein und ein ausreichendes, gutes Leben garantieren.
Der deutsche Soziologe Ulrich Beck (1999) hat ein Modell der Bürgerarbeit und des Bürgergelds vorgeschlagen. Bürgerarbeit solle das selbsttätige Individuum, Eigeninitiative, Spontaneität, Verantwortlichkeit, Unternehmertum und Selbstorganisation fördern und nicht entlohnt, aber in etwa in Höhe der Arbeitslosen- und Sozialhilfe belohnt werden. Relative Eigenständigkeit, Freiwilligkeit und öffentliche Grundfinanzierung seien Basis der Bürgerarbeit. Letztere habe zu tun mit organisiertem, schöpferischem Ungehorsam, Selbstbestimmung, projektgebundener Arbeit und Selbstverwirklichung in Form eines freiwilligen politischen und sozialen Engagements. „Ein Europa der Bürger entsteht erst in einem Europa der Bürgerarbeit. [...] Meine Vision lautet: Die europäische Demokratie gewinnt ihre Seele mit und durch Bürgerarbeit“ (Beck 1999, S. 137). „Eine Quelle des Bürgergeldes sind beispielsweise die Unsummen, die in Europa in Form von Arbeitslosen- und Sozialhilfe dafür ausgegeben werden, dass jemand nichts tut. Diese unsinnige Regel wird durch Bürgerarbeit abgeschafft, ganz nach dem Motto: Bürgerarbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren! Der Empfänger von Bürgergeld leistet öffentlich wichtige und wirksame Bürgerarbeit, ist insofern nicht arbeitslos und bezieht für seine Leistung das Bürgergeld“ (Beck 1999, S. 128f).
Das Modell der Bürgerarbeit steht im Gegensatz zu einem universellen, bedingungslosen Grundeinkommen. Es geht dabei nicht um Umverteilung des Reichtums, Abschaffung der entfremdeten Arbeit, Armutsbekämpfung, Wohlstand für alle und Selbstbestimmung der Menschen. Ziel ist die Durchsetzung der Funktionsfähigkeit des Kapitalismus und ein Anstieg der Profitraten durch Abwälzung der sozialen Sicherung auf „Eigenverantwortung“. Beck nennt als Ziel nicht die maximale Selbstbestimmung der Menschen, ein Bürgergeld in der Höhe von Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe bekämpf nicht Armut, sondern ermöglicht billige und kostenlose Dienstleistungen für die kapitalistische Ökonomie. Beck zielt nicht auf die Verbesserung menschlicher Lebensbedingungen ab, sondern auf die Durchsetzung kapitalistischer Interessen und das Einsparen von Sozialkosten, um Profite zu maximieren. Bürgerarbeit  ist ein Modell, in dem Profite über Menschen stehen. Beck sagt selbst, dass es um die „Ermöglichung eines Niedriglohnsektors“ (Beck 1999, S. 146) geht. Die bisherigen Erfahrungen mit atypischen Beschäftigungs- und Niedriglohn-Verhältnissen zeigen, dass dadurch nicht Armut bekämpft, sondern verstärkt wird. Das Bürgergeld ist weder universell, noch bedingungslos. Es geht um den Abbau der sozialen Sicherung durch „Eigenverantwortung“. Beck betont, dass Bürgerarbeit freiwillig sein sollte, betont aber gleichzeitig, dass Sozialhilfe- und Arbeitslosenunterstützung nicht sinnvoll sei und daher Bürgergeld durch diese beiden Posten finanziert werden sollte. Praktisch würde dies die Schaffung eines materiellen Zwangs zur Niedriglohntätigkeit bedeuten. Wer nicht bürgerarbeiten wollte, würde einfach keine gesellschaftliche Unterstützung mehr bekommen. Von Freiwilligkeit kann daher keine Rede sein, Beck setzt auf einen stummen Arbeitszwang der Verhältnisse, der sich durch Begriffe wie Freiwilligkeit, Selbstorganisation, Ungehorsam und Selbstverwirklichung tarnt. Faktisch würde dies also die Abschaffung sozialer Sicherung bedeuten und den Zwang, die schlechtbezahltesten und ungesichertsten Arbeiten anzunehmen. Der Arbeitslose als Unternehmer wäre vollständig auf sich selbst gestellt und könnte mit keiner Form gesellschaftlicher Solidarität rechnen. Becks radikaler Individualismus steht im Gegensatz zur Ermöglichung individueller Selbstbestimmung jenseits von Lohnarbeit und Markt im Rahmen des Ausbaus kollektiver sozialer Sicherung durch ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen.

Bürgerarbeit bedeutet nicht nur Zwangsarbeit im neuen Gewand und eine möglichst günstige Verfügbarmachung von Lohnarbeitenden durch den Staat, sondern auch die individuelle Schuldzuweisung an die Leidtragenden der Fehlentwicklungen des globalen Kapitalismus sowie die Privatisierung der ehemaligen sozialstaatlichen Tätigkeiten. Die neoliberale Ideologie der Betonung der Eigenverantwortung der BürgerInnen, die von der Kausalität der kapitalistischen Logik und von der Verursachung gesellschaftlicher Probleme durch gesellschaftliche Systemzusammenhänge abstrahiert, passt bei Ulrich Beck durchwegs ins Konzept. Beck vertauscht Ursache und Wirkung, er sieht nicht die gesamtgesellschaftlichen Ursachen gesellschaftlicher Probleme, sondern schlägt zur Lösung sozialer Probleme eine Zunahme der Verpflichtungen und Risiken des Einzelnen vor, die sich aus der zunehmenden Individualisierung ergebe.

Becks neo-konservatives Modell wird von rechten Parteien begrüßt. So zeigt etwa die CSU Interesse und Andreas Kohl hat den Umbau zu einer (neoliberalen) „Bürgergesellschaft“ ausgerufen. Auch im Regierungsprogramm der FPÖ-ÖVP-Koalition war die Rede vom Bürgergeld: „Langzeitarbeitslose sollen daher verpflichtet werden, im Sozial-, Umwelt- und Denkmalschutzbereich für sie geeignete Arbeit anzunehmen, wobei ihnen sodann neben dem Arbeitslosengeld bzw. der Notstandshilfe ein Bonus als Bürgergeld gewährt wird: Notstands- und Sozialhilfeempfänger erhalten als Abgeltung für die Verrichtung von Gemeinwesenarbeit (im Gesundheits- und Pflegebereich, Denkmalschutz, Umweltschutz, Pflege von Grünanlagen etc.) einen Zuschlag zu ihrer Notstands- bzw. Sozialhilfe von bis zu 20 % Bonus als “Bürgergeld“. Damit verbunden soll die Pflicht sein, diese Arbeiten anzunehmen. [...] Die auch heute schon gegebenen Sanktionen, wenn man angebotene Arbeit nicht annimmt, bleiben aufrecht und sollen auf die Gemeinwesenarbeit ausgedehnt werden“ (S. 19f). Mit dem Beschäftigungsprojekt Integra 2000 zur Umsetzung von Bürgergeld wurde dieses Zwangsarbeitsmodell realisiert. Resultat ist nicht die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, sondern die billige Verfügbarmachung von Arbeitslosen für soziale Tätigkeiten, um einen weiteren Abbau kollektiver sozialer Schutzmechanismen zu begünstigen und Profite durch Einsparung von Sozialkosten zu erhöhen.

Auch im Rahmen des für die CSU angefertigten Berichts der Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1996) schlägt Ulrich Beck vor, Erwerbsarbeit durch Bürgerarbeit zu ergänzen. BürgerarbeiterInnen fallen demnach nicht in die sozialrechtliche Kategorie "arbeitslos".  Als wesentliche Idee seines Modells betont Beck, „dass [...] das Unternehmerische mit der Arbeit für das Gemeinwohl verbunden werden sollte und kann“. Die Kommission schlägt vor, „die Voraussetzung für die Einrichtung von Bürgerarbeit zu schaffen und zu erproben, d.h. für Formen freiwilligen sozialen Engagements jenseits der Erwerbsarbeit [...] in inhaltlichen Themengebieten wie z. B. Bildung, Umwelt, Gesundheit, Sterbehilfe, Betreuung von Obdachlosen, Asylbewerbern, Lernschwachen, Kunst und Kultur“ (Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen 1996, Teil III, S. 149). Ein großer Teil der bisher von Staat und Kommunen organisierten sozialen Tätigkeiten solle also ausgegliedert werden und in der Form von Bürgerarbeit organisiert werden. BürgerarbeiterInnen kann nach den Vorstellungen der Kommission bei individueller Bedürftigkeit ein sogenanntes „Bürgergeld“ ausbezahlt werden. Es wird zwar betont, dass diese Arbeiten freiwillig durchgeführt werden sollten, parallel dazu zeigt sich aber deutlich, in welche Richtung diese Vorschläge gehen, da als ein Vorschlag im Bericht die Zwangsarbeit für Sozialhilfeempfänger genannt wird.

Das Bürgerarbeitsmodell setzt die Zwänge und Probleme fort, mit denen die Menschen im neoliberalen Kapitalismus konfrontiert sind. Es ist nicht an einer sozial nachhaltigen Gesellschaftsgestaltung orientiert, die auf Wohlstand für alle, Armutsbekämpfung, Entkopplung von Lohnarbeit und Existenzsicherung und Verteilungsgerechtigkeit orientiert ist. Ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen, das im Rahmen eines Ausbaus der sozialen Sicherung, der effektiven Besteuerung von Kapital und Eigentum und eines Systems der gerechten Umverteilung von Reichtum installiert wird, ist eine Gegenstimme zur Durchdringung aller Lebensverhältnisse mit Waren- und Profitlogik. Sollen die globalen Probleme gelöst werden, so muss es zu einer grundsätzlichen Umverteilung des Reichtums kommen. Gerechte gesellschaftliche Verhältnisse sind nur jenseits von Kapital, Markt und Staat möglich. Die Technisierung der Gesellschaft ermöglicht die Reduktion der gesellschaftlich notwendigen Arbeit und eröffnet damit die Perspektive eines Lebens selbsttätiger, verantwortlicher Individuen ohne entfremdeter Arbeit. Der Weg zum guten, schönen und gerechten Leben ist möglich, jener der fremdbestimmten Vollbeschäftigung unter den gegebenen technischen Bedingungen unrealistisch. Eine andere Alternative wäre die Fortsetzung des Bestehenden und damit das Risiko eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs. Ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen ist ein erster Schritt zu Selbstbestimmung, Verteilungsgerechtigkeit und Wohlstand für alle.

 

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[1] BLS 2002a, Tab. 10

[2] BLS 2002a, Tab. 4

[3] BLS 2002a, Tab. 2

[4] BLS 2002b

[5] BLS 2002b, Tab. 2

[6] Wirtschaftskammer 2002, S. 26; Der Standard, 4.9.2002

[7] BLS 2002b, Tab. 7

[8] BLS 2002b, Tab. 6

[9] BLS 2002a, Tab. 5

[10] BLS 2002b, Tab. 6

[11] BLS, Annual percent change in hourly compensation costs in U.S. dollars for production workers in manufacturing, 29 countries or areas and selected economic groups, selected periods, 1975-2000.

[12] Economic Report of the President 2001, Tab. B91, corporate profits by industry 1959-2000. Die durchschnittliche jährliche Ertragsrate betrug in den Jahren 1980-2000 8,33% (net rates of return of NFCs, Walton 2000).

[13]  UK National Statistics Time Series, PNFCs gross rate of return. Die durchschnittliche jährliche Netto-Ertragsrate betrug in den Jahren 1980-2000 11,6% (net rates of return of NFCs, Walton 2000).

[14] Europäische Kommission 1998

[15] alle Zahlen nach Holzinger 2001

[16]  Habich/Krause 1995, S. 76f

[17] Die dabei verwendete Berechnungsmethode setzt die Armutsgrenze bei 60% des Medians des verfügbaren persönlichen Einkommens.

[18] Unger 2001

[19] Es wurde dabei die Einkommensverteilung in 26 Staaten untersucht

[20] alle Angaben nach Der Standard, 4.9.2001

[21] alle Daten nach UNDP 2002

[22] Van Parijs argumentiert, dass reale Freiheit bedeute, dass jeder Gelegenheit hat, selbstbestimmten Tätigkeiten nachzugehen. Dies sei nur dann gegeben, wenn die Möglichkeiten der am schlechtest Gestellten maximiert werden. Es mache keinen Sinn, rein individuelle, interne Ressourcen wie Fähigkeiten, Kenntnisse, Begabung oder Gesundheit zu kompensieren, sehr wohl sei dies aber bei kollektiven externen unverdienten Ressourcen möglich. Auch Arbeitsplätze seien externe unverdiente Ressourcen, in einer hochtechnisierten Gesellschaft können immer weniger Menschen an diesen Ressorucen teilhaben und sollten daher für diese Nichtteilhabe kompensiert werden.

[23] Reproduktionsarbeit geschieht „nicht unmittelbar durch das Lohnverhältnis [...], sondern durch andere Zwänge“ und stellt die Basis dar, „auf der die Ausbeutung der sogenannten Lohnsklaven erst stattfinden kann“ (Bennholdt-Thomsen/Mies/Werlhof 1992, S. 107, vgl. auch Mies 1996, S. 46-53).

[24] Die Frau selbst (ihr Körper), und das Haus in dem sie arbeitet, wären eine Art Boden, den sie nicht besitzt, den sie allerdings für andere im  Rahmen eines Nicht-Lohnarbeitsverhältnisses bewirtschaftet. „Dabei liefert sie dem Kapital Arbeitskräfte und ihrem Eigentümer die Wiederherstellung seiner Arbeitskraft“ (Werlhof 1991b, S. 49).

[25] Erziehung produziert informelles Wissen wie Normen, Sprache und Fertigkeiten, die durch soziale Beziehungen vermittelt werden.

[26] http://www.denkwerkstatt-mv.de/pages/schlossSN_diskussionsb_offe.htm