Leben und Selbstorganisation im postfordistischen, neoliberalen und informationsgesellschaftlichen Kapitalismus
Christian Fuchs

Die gesellschaftlichen Umbrüche, die wir heute erleben, werden mit so unterschiedlichen Schlagworten wie den Folgenden bedacht: "Ära der Simulation und der Hyperrealität" (Baudrillard) "Arbeitsgesellschaft" (Offe), "Bildungsgesellschaft" (Mayer), "Bürgergesellschaft" (Dahrendorf), "desintegrierende Gesellschaft" (Heitmeyer), "digitaler Kapitalismus" (Glotz), "dynamische Gesellschaft" (Mayntz) "Erlebnisgesellschaft" (Schulze), "flexible Gesellschaft" (Sennett), "funktional differenzierte Gesellschaft" (Nassehi), "gespaltene Gesellschaft" (Honneth), "Informationsgesellschaft" (Lash), "Mediengesellschaft" (Postman), "Multioptionsgesellschaft" (Gross) "reflexive Modernisierung" (Beck, Giddens), "polyzentrische Gesellschaft" (Willke), "postindustrielle Gesellschaft" (Bell), "postmoderne Gesellschaft" (Lyotard, Inglehart, Baudrillard), "Risikogesellschaft" (Beck), "transkulturelle" oder "multikulturelle Gesellschaft" (Welsch, Leggewie), "Single-Gesellschaft" (Hradil), "Tätigkeitsgesellschaft" (Arendt, Biesecker, Mutz), "transparente Gesellschaft" (Vattimo) "Verantwortungsgesellschaft" (Etzioini), "virtuelle Gesellschaft" (Bühl), "Weltgesellschaft" (Albrow), "Wissensgesellschaft" (Willke, Knorr-Cetina).
Interessant erscheint es mir zunächst, dass in diesen Konzepten einzig Peter Glotz einräumt, dass die Gesellschaft, in der wir leben, ganz wesentlich immer noch eine kapitalistische Gesellschaft ist, die um die Produktion von Wert und Profit herum organisiert ist. M.E. gilt es zwei Extrema zu vermeiden: Einerseits den typisch postmodernistischen Reflex, zu konstatieren, die heutige Gesellschaft stelle etwas völlig Neues dar, andererseits reduktionistische Argumentationen, die feststellen, dass kein wesentlicher gesellschaftlicher Wandel feststellbar sei und dass die Gesellschaft noch immer ausschließlich nach Prinzipien funktioniere, die bereits von Klassikern der Gesellschaftstheorie und -kritik beschrieben wurden. Ich denke, dass eine Dialektik von allgemeinen und konkreten Bestimmungen angebracht ist, um diese beiden Extrempositionen zu vermeiden: Einerseits leben wir immer noch in einer kapitalistischen Gesellschaft, die um Kategorien wie die Akkumulation von Kapital, den Tauschwert, die Produktion von Mehrwert, das Privateigentum an Produktionsmitteln, Klassenverhältnisse, Staat, Nation, Repräsentativverfassung, Arbeitsteilung und wissenschaftlich-technischem Fortschritt organisiert ist. Andererseits sind wir in eine neue Phase der gesellschaftlichen und kapitalistischen Entwicklung eingetreten, in der diese Kategorien eine spezifische Ausprägung erfahren, die neue Qualitäten aufweist und die es zu erfassen gilt, um eine realistische Bestandsaufnahme der gesellschaftlichen Verhältnisse liefern zu können.
Die kapitalistische Entwicklung verläuft nicht stabil, sondern dynamisch und antagonistisch. Der typische Ausdruck dessen sind gesellschaftliche Krisen, die ökonomische, politische und ideologische Aspekte umfassen. Seit Anfang bis Mitte der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts haben wir es mit einer anhaltenden ökonomischen, politischen und ideologischen Krise des Kapitalismus zu tun, mit der eine Restrukturierung des kapitalistischen Weltsystems einhergeht. Resultat ist ein mehrdimensionaler kapitalistischer Umbruch: Der Übergang vom fordistischen zum postfordistischen Kapitalismus, vom keynesianischen zum neoliberalen Kapitalismus und von der Verallgemeinerung des Fließbands zum informationsgesellschaftlichen Kapitalismus.

Vom Fordismus zum Postfordismus

Ökonomisch gesehen ist die den Kapitalismus vom zweiten Weltkrieg bis in die 70er-Jahre prägende Phase vielfach als Fordismus bezeichnet worden (siehe z.B. Coriat 1979, Gottl-Ottilienfeld 1926, Gramsci 1971, Hirsch 1991, Horatschek 1939, Lipietz 1987). Der Begriff Fordismus bezieht sich zunächst auf die "Wissenschaftliche Betriebsführung", die von Frederick Winslow Taylor eingeführt wurde (Optimierung der Organisation der Kapitalverwertung durch die Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf die Arbeitsorganisation), und von Henry Ford in dessen Betrieben eingeführt wurde. Der Begriff wird jedoch auch allgemeiner für eine Phase des Kapitalismus benutzt, dessen Produktionsweise auf der Verallgemeinerung standardisierter Massenproduktion und einer sich daraus ergebenden Beeinflussung aller Lebensbereiche beruht. Als wesentliche Elemente des Taylorismus können folgende betrachtet werden:

1. Zerlegung und Teilung des Produktionsprozesses

2. Strikte Vorgaben, wie die Arbeit auszuführen ist, und eine dementsprechende Betriebsorganisation, die auf einer hierarchischen Organisationsweise, Kontrollen, Überwachungen, Disziplinierungen, einer Standardisierung der Abläufe und einer Einengung des Handlungsspielraum der Arbeitenden basierte.

3. Trennung von planenden (Kopfarbeit) und ausführenden (Handarbeit) Tätigkeiten: "Alle Kopfarbeit unter dem alten System wurde von dem Arbeiter mitgeleistet und war ein Resultat seiner persönlichen Erfahrung. Unter dem neuen System musste sie notwendigerweise von der Leitung getan werden in Übereinstimmung mit wissenschaftlich entwickelten Gesetzen" (Taylor 1919, S. 40). "Taylorism can be seen as the rationalization of production, based on an increasing separation of the 'ideas people' and organizers of production (engineers, and organization and maintenance staff) an the 'operatives' carrying out production - semi-skilled manual workers performing repetitive tasks" (Lipietz 1992, S. 4).

4. Versuch der zeitlichen Optimierung der Produktion durch Zeit- und Bewegungsstudien: Unter Optimierung kann verstanden werden, dass versucht wurde, die Produktivität durch diese Methoden zu erhöhen. In Marxschen Kategorien kann dies als eine Form der relativen Mehrwertproduktion verstanden werden. Marx (1867) hat dies auch als die Methode der relativen Mehrwertproduktion bezeichnet: Der Arbeitstag zerfällt dabei in zwei Teile: Die Arbeit, die notwendig ist, um das Lohnäquivalent zu produzieren und jene unbezahlte Mehrarbeit, die den Mehrwert produziert. Durch den technischen Fortschritt, d.h. die Entwicklung der technischen Produktivkraft, wird die Mehrarbeit verlängert. Der Einsatz produktiverer Maschinerie als Methode des relativen Mehrwerts hat zur Folge, dass der Arbeiter in derselben Zeit mehr produziert als zuvor, d.h. die Produktivität steigt. Durch die tayloristische Optimierung des Produktionsprozesses wurde versucht, mehr Mehrwert in kürzerer Zeit zu produzieren, also die Mehrwertproduktion zeitlich zu straffen. Die Arbeit wurde im großen Ausmaß verdichtet. Daher handelt es sich um eine Form der Produktion des relativen Mehrwerts. Dadurch erhoffte man sich bei der Realisierung des Mehrwerts einen Anstieg des Profits.

5. Normierung und Vereinheitlichung der verwendeten Einzelteile

6. Auswahl der Geeignetsten für eine Arbeit

Der Fordismus als das verallgemeinerte ökonomische Modell, das den Kapitalismus nach 1945 prägte, beruht auf folgenden Prinzipien:

1. Verkopplung von Massenproduktion, Massenkonsum und Massenbeschäftigung: "Der Fordismus ist, in wenigen Worten, ein auf Massenproduktion und Massenkonsum basierendes Modell der Kapitalakkumulation" (Jessop 1986, S. 12). Das Automobil als Schlüsselprodukt wurde zum Symbol dieser Massenproduktionsweise. Die absolute Beschäftigungszahl nahm in den fordistischen Zentren des Westens zu, und es zeigte sich eine Verlagerung der Beschäftigung von der Landwirtschaft in die Industrie und den Dienstleistungsbereich.

2. technische Veränderung der Produktionsweise: ausgehend von der Autoindustrie in den Fabriken Fords wurde die Fließbandproduktion großflächig ausgebaut. Bereits 1908 wurde von Ford das "Modell T" als erstes fließbandmäßig produziertes Auto präsentiert.

3. Einsatz des Taylorismus als Organisationsweise der Arbeit

4. Durch die Steigerung der Produktivität sollte das Lohnniveau gehoben werden, was den Massenkonsum und damit die Massenproduktion erst ermöglichte. Damit wurde die Hoffnung auf ein Steigen der Profitraten verbunden. Massenprodukte brauchen einen Absatzmarkt, ansonsten kann der Profit nicht realisiert werden. Daher war es aus einer rein kapitalistischen Logik für Ford logisch, dass die Löhne erhöht werden müssten. Wäre dies nicht der Fall gewesen, so kann angenommen werden, dass sich schon bald eine Überproduktionskrise eingestellt hätte. Daher war auch die Verbilligung der Produkte eine Notwendigkeit, was auf Grund der verminderten Herstellungskosten durch die Erhöhung der Mehrwertrate und damit der Produktivität einfach war. Zur ideologischen Einbindung der Arbeitenden in das fordistische Modell wurden nicht nur die Löhne erhöht, sondern auch die Arbeitszeit verkürzt [1]. Dies sollte die Arbeitenden ermutigen, mehr zu leisten. Es wurde davon ausgegangen, dass durch die Produktion immer größerer Stückzahlen die Stückkosten sinken, dadurch die Nachfrage stimuliert wird und so eine immer größere Anzahl von KonsumentInnen erreicht werden kann.

5. Die Erhöhung der Löhne war Teil einer umfassenderen Restrukturierung der Gesellschaft. Teil dessen war, dass "persönliche Dienstleistungen [...] durch industriell produzierte Waren oder kommerzialisierte Dienstleistungen ersetzt" wurden (Hirsch 1995, S. 77). Damit hielt die Warenform Einzug in große Bereiche der Freizeit. Dies bedeutet, dass die kapitalistischen Verhältnisse von der Produktions- auf die Reproduktionssphäre übergriffen. Der Reproduktionsbereich wurde im Fordismus zu einer entscheidenden Basis der Verwertung des Kapitals.

6. Revelli (1999) nennt als ein Merkmal des Fordismus, dass die Unternehmen zentralistisch organisiert waren. Alle für die Produktion entscheidenden Abläufe waren in einem Unternehmen räumlich und zeitlich lokalisiert. Es entstanden riesige Fabriksgelände, wie z.B. River Rouge von Ford, in dem es 105.000 Beschäftigte gab und das eine Oberfläche von 1.115 ha umfaßte. Die fordistische Produktionsweise zeichnete sich damit durch eine unmittelbare Nähe aus.

7. Die vertikale Integration spielte eine wesentliche Rolle in der Produktionsweise. Es wurde versucht, die Zulieferindustrie und verwandte Industriezweige aufzukaufen und in den eigenen Produktionskomplex zu integrieren (Revelli 1999).

8. Robert Castel (1997) nennt folgende Charakteristika des fordistischen Arbeitsverhältnisses: 8.1. Eine klare Trennung zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen 8.2. Die Internalisierung der Konsumnorm durch die Arbeitenden 8.3. Den zentralen Arbeitsplatz und eine reglementierte Zeitverwaltung des Arbeitsverhältnisses 8.4. Die Etablierung öffentlicher Dienstleistungen, der Pflichtversicherung und die Verankerung eines Rechts auf Gesundheit, Unterricht, Ausbildung, Arbeit, Wohnen etc. (betrifft bereits die staatliche Ebene des Fordismus, siehe auch weiter unten)

9. Nochmals extra erwähnt (obwohl bereits in die Charakteristika des Taylorismus aufgenommen) werden soll die relative Mehrwertproduktion durch die Steigerung der Produktivität (Erhöhung der Geschwindigkeit der Maschinen, Taylorisierung, neue Produktionsmaschinerie). Wie erwähnt, hatte bereits Marx davon gesprochen. Werner Sombart (1927) unterscheidet in Analogie dazu eine extensive und eine für den Fordismus typische intensive Zeitökonomie. In der Regulationstheorie ist eine Unterscheidung zwischen einer extensiven und einer intensiven (wie im Fordismus) Akkumulationsweise üblich.

Ende der 60er-/Anfang der 70er-Jahre traten die Widersprüche des Fordismus deutlich hervor, worauf eine gesellschaftliche Krise des Kapitalismus einsetzte. Dafür gab es mehrere Gründe: Das Voranschreiten der Technisierung und Automatisierung der Produktion führte zu einer Krise der Wertproduktion, da die lebendige menschliche Arbeitskraft, die einzig wertschaffend agieren kann, immer stärker durch tote, geronnene Arbeit in der Form von Maschinen ersetzt wurde. Die tayloristische Produktionsweise erreichte ihre eigenen Grenzen. Die Arbeitenden rebellierten immer stärker gegen die hohen physischen und psychischen Belastungen der zumeist monotonen Arbeiten, hinsichtlich der technischen Apparatur waren hohe Wartezeiten und Unregelmäßigkeiten bei der Fließbandproduktion immer häufiger. Vor allem die voranschreitende Entfremdung der Arbeitenden führte zu einer Zunahme der Arbeitsverweigerungen und Streiks und zur Erschöpfung der Produktivitätszuwächse. Des weiteren zeigte sich eine immer stärkere internationale Konkurrenz am Weltmarkt, die den USA schwer zu schaffen machte (Aufstieg von Japan und Europa) und die Rohstoff- und Arbeitskosten stiegen stark an. Zur ökonomischen Krise kam eine ideologische, die sich in der Zunahme der Auflehnung gegen Autoritäten manifestierte, und eine staatliche, da der Staat durch die ökonomische Krise zu wenig Einnahmen zur Verfügung hatte und sich durch das keynesianische Deficit Spending Finanzlücken ergaben (zu den Ursachen der Krise des Fordismus vgl. Aglietta 1979, Destanne de Bernis 1988, Hirsch/Roth 1986, Lipietz 1987). Im Zuge der Krise des Fordismus ergab sich hinsichtlich der Produktionsweise das, was heute vielfach als Übergang zum Postfordismus bezeichnet wird.
In den letzten Jahrzehnten hat eine immer stärkere Verlagerung der Tätigkeiten vom primären und sekundären ökonomischen Bereich in den Dienstleistungssektor stattgefunden. Es kann aber nicht gefolgert werden, dass deshalb heute ein Übergang zu einer postindustriellen Gesellschaft (Bell 1976) stattfindet. Vielmehr entspringt diese Veränderung der Logik der kapitalistischen Entwicklung. Aus der kapitalistischen Logik entsteht ein Zwang für die Unternehmen, die Produktivität permanent zu steigern, also immer mehr in immer kürzerer Zeit zu produzieren. Daraus ergeben sich die Automatisierung und der technische Fortschritt als Sachzwänge. Resultat ist auch, dass immer weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird, um Waren zu produzieren, die Masse der im industriellen Bereich verausgabten Arbeit nimmt ab. Durch die mikroelektronische Revolution und die Computerisierung der Arbeit werden diese Entwicklungen beschleunigt.
Die Ausweitung des Dienstleistungssektors stellt nun einerseits den Versuch dar, freigesetzte Arbeitende zu absorbieren und andererseits wird nach neuen Investitionsterritorien gesucht, die es ermöglichen sollen, die anhaltende ökonomische Krise in den Griff zu bekommen. Es erscheint unrealistisch, dass der Dienstleistungsbereich das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit kompensieren kann, denn auch er unterliegt Rationalisierungstendenzen (denken wir z.B. an den Bereich der Versicherungen und Banken, an Internetversand, E-Commerce, Kassenautomaten, Kundenkarten, Scannerkassen, Online-Banking, Point of Sale- und Point of Interest-Applikationen etc.), es zeigt sich ein Qualifikationsproblem (die Rationalisierungsopfer sind immer noch vorwiegend Menschen in niedrig qualifizierten Bereichen, die einfach automatisiert werden können, da standardisierte Tätigkeiten maschinell einfach in der Form von if..then..else-Verzweigungen dargestellt werden können; die neu entstehenden Jobs in der New Economy verlangen aber zumeist hohe Qualifikationen) und es entsteht das Problem, dass mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit aus Käufern Nichtkäufer werden, woraus sich eine Verstärkung von Nachfrageschwierigkeiten und Realisierungsproblemen in verschiedenen ökonomischen Bereichen ergeben können.
Dass die Krise des Kapitalismus anhält zeigt sich daran, dass das Wachstum des BIPs und der Profitraten heute wesentlich geringer ist als im "Goldenen Zeitalters" des Fordismus, in dem von einer immerwährenden Prosperität geträumt wurde. Aus fallenden Profitraten ergibt sich die Suche nach neuen Bereichen für die Anhäufung von Profit. Auch dies ist ein Grund für den Boom des Dienstleistungsbereiches und dabei vor allem der Softtwareindustrie, des E-Commerces, der Lizenzvergabe und den sonstigen Bereichen der New Economy. In der Tat zeigen sich hier extrem hohe Wachstumsraten, die Hoffnungen auf einen gesamtökonomischen Aufschwung aufkommen lassen. Allerdings sollte bedacht werden, dass die New Economy ein Bereich ist, der vor allem weiter dazu beiträgt, dass im Rahmen der Automatisierung lebendige Arbeit durch tote ersetzt wird. Dem von Marx formulierten Wertgesetz (vgl. Marx 1867, S. 54f) zu Folge schafft jedoch nur lebendige Arbeit Wert. Daher erscheint es mir viel realistischer, dass der Boom der New Economy die Krise der "Old Economy" verschärft und dass die gesamtgesellschaftliche Krise weiter anhalten wird. Auch im Zuge der Pleitenwelle im New Economy-Bereich, die seit dem Jahr 2000 um sich greift, und durch die unlängst erfolgten Einbrüchen an den Technologiebörsen wurde deutlich, dass die New Economy selbst krisenanfällig ist. Die realökonomische Krise des Kapitalismus hat seit Mitte der 80er zu großen Hoffnungen in die New Economy geführt, was zu einem irrationalen Überschwang der Börsenwerte solcher Unternehmen an den Aktienmärkten geführt hat. Da diese fiktiven Werte aber kein reales Fundament haben, sondern einen Vorgriff auf erst zu akkumulierendes Kapital darstellen, ist eine gewaltige Finanzblase die Folge. Die Börsenwerte der New Economy-Unternehmen stimmen also meist nicht mit jenen realökonomischen Werten überein, die tatsächlich erzielt werden. Wenn sich die Hoffnungen auf hohe Gewinne schließlich nicht einstellen, platzt die Finanzblase langsam auf, es zeigen sich Panikwellen, die zu Rückzügen und Verkäufen führen, die Börsenkurse purzeln, Konkurse von New Economy-Unternehmen stellen sich ein und die Träume der New Economy-Millionäre zerplatzen wie Seifenblasen.
Die standardisierte Massenproduktion wird heute immer stärker durch eine diversifizierte Qualitätsproduktion ersetzt, die sich durch Kundenorientierung und kleine Stückzahlen mit hoher Qualität charakterisieren lässt. Produziert wird immer häufiger mit einer flexiblen Fertigungsmaschinerie, die individuell gefertigte Produktserien im Rahmen einer Just-in-Time-Produktion ermöglicht. Begriffe, mit denen derartige organisatorische Veränderungen von Unternehmen beschrieben werden, sind etwa: Fraktale Unternehmen (Hans-Jürgen Warnecke), Virtuelle Unternehmen (William Davidow, Michael Malone), Atomisierte Organisationen (Balz Ryf), Modulare Fabriken (Horst Wildemann), Business Reengeneering (James Champy, Michael Hammer), Lean Management/Lean Production (Daniel Jones, Daniel Ross, James Womack vom MIT). Gemeinsam sind all diesen Konzepten und den darauf basierenden betrieblichen Restrukturierungen folgende Charakteristika:

· Bildung kleiner organisatorischer Einheiten im Unternehmen
· Delegation von Entscheidungskompetenzen von oben nach unten in der Hierarchie =>Erweiterung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums unterer Einheiten
· diese Dezentralisierung führt zum Aufbau einer Netzwerkorganisation, die relativ abgeschlossenen organisatorischen Einheiten koordinieren ihre miteinander notwendigen Interaktionen
· dazu eignen sich moderne I&K-Technologien. Der Informationsaustausch kann dabei intrabetrieblich zwischen organisatorischen Einheiten erfolgen, aber auch interbetrieblich im Rahmen globalerer Unternehmensnetzwerke und organisatorischer Einheiten (Zentrale, Zulieferbetriebe, dezentrale Tochterunternehmen, Kunden, etc.).
· Die Dezentralisierung und die flacheren Hierarchien im Unternehmen sind die Basis von Programmen mit aktiver Beteiligung der Beschäftigten

Produktionseinheiten folgen heute immer weniger einem zentralistischen Aufbau, sondern differenzieren sich immer stärker aus. D.h., dass der Produktionsprozess immer stärker in autonom voneinander abwickelbare Teile zerlegt wird, die von selbständigen betrieblichen Einheiten durchgeführt werden. Innerbetrieblich bedeutet dies den Aufstieg von Teamarbeit und teilautonomen Arbeitsgruppen, auf die gesamtbetriebliche Organisationsstruktur bezogen zeigt sich eine Tendenz zum Outsourcing, d.h. zur Auslagerung von Teilen der Produktion an Subunternehmen und günstige Zulieferfirmen. Das moderne kapitalistische Unternehmen und damit die kapitalistische Ökonomie bekommt immer mehr einen Netzwerkcharakter.
Die alten zentralistischen, kommandohaften, auf Überwachung und Kontrolle basierenden Organisationsmethoden des Taylorismus scheinen passé, gefragt sind heute bei den Beschäftigten nicht die Eingliederung in einen monotonen Arbeitsprozess, sondern Motivation, Selbstbewußtsein, Verantwortungsbewußtsein, Identifikation mit dem Betrieb, Kooperationsfähigkeit, Qualitätsbewußtsein, Eigeninitiative, permanentes Lernen und verantwortungsvolles Handeln. Arbeitende sollen stärker unternehmerisch denken, woraus sich automatisch die Frage ergibt, ob die neuen flexiblen und partizipativen (?) Arbeitsformen eine stärkere Selbstbestimmung der Arbeitenden mit sich bringen oder eine neue raffinierte Form der Ausbeutung darstellen?
Vorreiter der flexiblen Produktionsweise war die japanische Lean Production bei Toyota, weshalb auch häufig vom Toyotismus gesprochen wird. Wesentliches Ziel ist, Profite durch Kostenreduktion zu erhöhen. Dazu werden folgende Maßnahmen eingesetzt:

· Kaizen (vgl. Imai 1992): Die Ware und der Produktionsprozeß sollen permanent verbessert werden. Wer sich an Kaizen-Aktivitäten beteiligt, hat bessere Aufstiegschancen im Betrieb. Lange Transportwege und Lagerzeiten, Wartezeiten, unnötige Bewegungen, Ausschüsse, Überproduktion etc. sollen vermieden werden, um die Herstellungskosten zu senken und die Profite dadurch zu erhöhen. Kaizen soll auch zu einer Qualitätserhöhung führen.
· Kundenorientierung der Produktion: Marktforschung, genaue Erhebung der Kundenwünsche, Integration der Kunden in den Produktionsprozeß
· Teamarbeit, Enthierarchisierung, Dezentralisierung
· Simultaeous Engineering: simultan mit der Produktentwicklung werden alle dafür benötigten und noch nicht vorhandenen Werkzeuge und Produktionsmittel hergestellt (Daum/Piepel 1992)
· Just-in-Time-Produktion: "Just-in-time basically means to produce the necessary units in necessary quantities at the necessary time" (Monden 1983, S. 2).
· Kanban-System: es werden nur die Teile angeliefert, die tatsächlich benötigt werden. Der benötigte Bedarf wird dazu in Arbeitskarten (Kanban) eingetragen.
· Geringe Fertigungstiefe [2]: Teilprozesse der Herstellung werden an Subunternehmen ausgelagert oder zugekauft. Dadurch sollen die Herstellungskosten sinken.
· Autonomation: Die Produktionsmaschinen halten bei Störungen automatisch an (vgl. Imai 1992, S. 121f)

Resultat ist keine große Humanisierung, sondern Zwang zu Überstunden bei Produktionsmittelausfall sowie Nichterfüllung des Plan-Solls, lange Arbeitszeiten und hoher Streß. Daher wird in bezug auf die japanischen Produktionsmethoden häufig vom "Management by Stress" gesprochen. Der Sinn dieser Flexibilisierung ist klar: Die Umschlagszeit des Kapitals, d.h. jene Zeit, dass dieses in der Zirkulationssphäre verbringt, soll verkürzt und die Akkumulation von Kapital beschleunigt werden. Zeitlich gesehen soll also schneller mehr Kapital angehäuft werden als zuvor.
In den Betrieben selbst lastet ein ungeheurer Druck auf den einzelnen Arbeitsgruppen, der zu Feindeseligkeiten und Konkurrenz der Arbeitenden untereinander führt. Auch die Übertragung des japanischen Modells auf Europa bringt nicht unbedingt eine Humanisierung der Arbeit mit sich, wie etwa das Opelwerk Eisenach exemplarisch vor Augen führt: "Die 'Fertigungsstätte mit Modellcharakter' für ganz Europa (Opel-Selbstlob) mag wegweisend für die Fabrik der Zukunft sein. Ein Beispiel für humane Arbeitsbedingungen ist sie nicht [...] Gerade in diesen edlen Werkhallen herrscht Stress, und mittlerweile haben die Folgen der neuen Arbeitsbedingungen auch einen Namen: Flexibilitätssyndrom, Just-in-time-Syndrom, Qualitätssyndrom. [...] In den Teams entwickelt sich bisweilen eine Gruppendynamik, die mehr belastet als ein autoritärer Chef. Um Anwesenheits- und Leistungskontrollen braucht sich in Eisenach kein Vorgesetzter mehr zu kümmern, das regeln die Gruppen wie von selbst. Denn niemand ist längere Zeit bereit, die Minderleistung eines schwächeren Kollegen auszugleichen" (Gottschall 1994, S. 242ff).
Entfremdung bleibt also tatsächlich weiter bestehen, auch jene Entfremdung vom Produkt, die darin besteht, dass die Produktionsmittel und Arbeitsprodukte nicht den Arbeitenden selbst gehören. Ziel ist weniger die Humanisierung der Arbeit als neue Methoden der Maximierung von Profit, die als wesentliches Element neue ideologische Konzepte enthalten. Tatsächlich ergibt sich aus der postfordistischen Produktionsweise auch keine materielle Besserstellung der Arbeitenden. Die Reallöhne stagnieren, Zuwächse bleiben weit unter den Raten des Kapitalwachstums, es zeigt sich ein Ende des Sozialstaats und der wohlfahrtsstaatlichen Absicherung und es gibt immer mehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse (geringfügige Beschäftigung, Leiharbeit, Werkverträge, Neue Selbständige, Zeitarbeit, Teilzeitjobs etc.), die ohne Untertreibung als Armutsfallen bezeichnet werden können. Im Bereich der New Economy gibt es tatsächlich aber auch Schichten von hoch qualifizierten Arbeitenden, die hohe Gehälter verzeichen können. Der Preis, den sie dafür bezahlen, nimmt allerdings oftmals die Form von unerträglichem Stress, 80-Stunden-Wochen, Mangel an Freizeit und Privatleben, Einsamkeit etc. an. Erich Ribolits spricht hinsichtlich der neuen Arbeitsformen davon, dass Arbeitende dazu gebracht werden sollen, "etwas zu tun, was andere wollen, aber sie gleichzeitig glauben zu machen, dass sie es selbst tun wollen" (Ribolits 1995). Ribolits interpretiert die neuen Organisations- und Managementmethoden als eine "Totalverzweckung des Menschen" (ebd., S. 150), bei der die Arbeitenden total (also inklusive ihres Bewusstseins) in den Verwertungsprozess des Kapitals integriert werden sollen. Ziel sei die "Totalverausgabung der Arbeitenden".
Die Flexibilisierung, Dezentralisierung, Spezialisierung, Diversifizierung, Informatisierung und Enthierarchisierung der organisatorischen Strukturen des Kapitalismus lässt sich vor allem in Bezug auf die Suche nach neuen Strategien und Bereichen der Kapitalakkumulation im Zuge der anhaltenden Krise des Fordismus betrachten. Resultat ist eine postfordistische Restrukturierung der Ökonomie. Als Tendenzenden postfordistischer Veränderungen der Ökonomie des Kapitalismus können wir abschliessend folgende festhalten:

· diversifizierte Qualitätsproduktion, flexible Spezialisierung
· Dezentralisierung der Unternehmensstruktur, Outsourcing, Netzwerkstrukturen
· Enthierarchisierung der internen Unternehmensorganisation, flache Hierarchien
· Teamarbeit
· partizipatorisches Management und neue Unternehmensphilosophien, die die Arbeitenden psychisch integrieren (bzw. zugespitzt formuliert: vereinnahmen und verzwecken) wollen.
· Just-in-time-Produktion · neuer Schub der ökonomischen Globalisierung
· weitere Tertiarisierung und Informatisierung der Ökonomie
· Abbau der institutionellen Schranken der Kapitalakkumulation durch Deregulierung
· Triadisierung des Welthandels und des Kapitalexports

Vom Keynesianismus zum Neoliberalismus

Im fordistischen Staat entwickelte sich das, was heute mit den Begriffen "Wohlfahrtsstaat" oder "Sozialstaat" bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um kollektive soziale Schutzmaßnahmen, die die physische und psychische Existenz der Arbeitenden garantieren sollten. Das Modell des Massenkonsums und der Massenproduktion konnte überhaupt nur durch eine solche Strategie ermöglicht werden. Andererseits muss auch gesagt werden, dass der Wohlfahrtsstaat ein Ergebnis der Kämpfe der Arbeitenden war. Die staatliche Sozialpolitik garantierte im Fordismus die Reproduktion der Arbeitskräfte und regulierte das Angebot an Arbeitskräften. Auf der motivationalen Ebene war eine mentale Integration und Identifikation der Arbeitenden in bzw. mit dem Fordismus durch die staatliche Politik vorgesehen.
Der fordistische Staat war keynesianischer Staat. D.h., dass der Staat lenkend in die Ökonomie eingriff. Der Keynesianismus bedeutete also staatliche Eingriffe in die Ökonomie, den bürokratischen Ausbau des Sozialstaates, geplante Geld-, Fiskal-, Industrie-, Forschungs-, Konjunktur-, Wachstums-, Einkommensverteilungs- und Beschäftigungspolitik sowie die Anerkennung der Gewerkschaften als politische Kraft (ein Ausdruck dessen sind die Sozialpartnerschaften als institutionalisierte Klassenkompromissfindungsformen). Keynes sprach von der "Notwendigkeit bewussten Managements" und der "Sozialisierung von Investitionen". Der Staat wurde als Interventionsmechanismus begriffen, der eingreift, wenn private Investitionen nicht ausreichen, um eine Depression oder andere ökonomische Probleme zu beenden.
John Maynard Keynes (1936) ging davon aus, dass das Saysche Theorem falsch sei. Dieses besagt, dass sich durch die "unsichtbare Hand" des Marktes automatisch ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage einstellen muss. Say galten die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit als substituierbar. Sie werden demnach stets so gewählt, dass es den Bedingungen am besten entspricht: Die Summe der Preise dieser Faktoren sei kleiner als die Summe aller anderen möglichen nutzbaren Faktoren. Ist dies nicht der Fall, so würden die Unternehmer nach billigeren Faktoren suchen. Ein ständiges Gleichgewicht von Kapital und Arbeit wird propagiert, Arbeitslosigkeit könne daher langfristig nicht auftreten. Die Lohnrate regle den Arbeitsmarkt, je nach ökonomischer Situation seien daher niedrigere oder höhere Löhne angebracht. Das Problem sei daher nicht, dass die Arbeitslosen keine Arbeit finden können, sondern dass sie nicht zu jenen Preisen arbeiten, die die Unternehmen bezahlen können/wollen.
Keynes meinte im Gegensatz dazu, dass eine mangelnde Nachfrage Arbeitslosigkeit produzieren kann: "Der Hang zum Verbrauch und die Rate der Neuinvestition bestimmen unter sich die Menge der Beschäftigung [...] Wenn der Hang zum Verbrauch und die Rate der Neuinvestition zu einer unzureichend wirksamen Nachfrage führen, wird das tatsächliche Niveau der Beschäftigung hinter dem Arbeitsangebot, das zum bestehenden Reallohn potentiell verfügbar sein mag, zurückbleiben [...] Diese Analyse gibt uns eine Erklärung für das Paradox der Armut mitten im Überfluss. Denn das bloße Vorhandensein einer Unzulänglichkeit der wirksamen Nachfrage kann und wird oft die Zunahme der Beschäftigung zum Stillstand bringen" (Keynes 1936, S. 26f).
Keynes Lösungsvorschlag war das sogenannte "Deficit Spending": Der Staat müsse durch Interventionismus in die Ökonomie die Investitionen und den Verbrauch anregen. Das Massenkonsum- und Massenproduktionsmodell des Fordismus benötigte also nach der Theorie von Keynes staatliche Unterstützung und Intervention, um überhaupt zu funktionieren. Die Förderung der staatlichen Investitionen, so Keynes, müssten über ein Defizt des Budgets finanziert werden. Dabei bestand jedoch die Gefahr, dass das "Deficit Spending" die Inflation steigert, also das Defizit durch die Steigerung der im Umlauf befindlichen Geldmenge zu mildern versucht wird. Keynes meinte jedoch, dass nicht jede Zunahme der Geldmenge inflationär wirken müsse.
Das korporative System, wie es in unseren Breiten in der Form von Sozialpartnerschaften institutionalisiert wurde, stellt im Fordismus einen Verhandlungsmechanismus zwischen den Klassen dar, mit dem versucht wird, den grundsätzlichen Klassenwiderspruch zu institutionalisieren und damit durch eine künstliche Konstruktion abzuschwächen sowie den sich daraus ergebenden Klassenkampf aufzuheben. Eine Folge davon war in Ländern wie Österreich das Ausfallen von großen Streiks, da die Vermittlung am Tisch durch die "Sozialpartner" forciert wurde.
Joachim Hirsch (1980) betont, dass der fordistische Staat ein "Sicherheitsstaat" im doppelten Sinn war: Er garantierte eine gewisse soziale Absicherung und fungierte andererseits als eine Art Überwachungsstaat. Auf der einen Seite stand also die Steigerung des Lebensniveaus für die Massen in den fordistischen Zentren, um den Fordismus überhaupt aufrechterhalten zu können, auf der anderen der bürokratische Kontroll- und Überwachungsstaat.
Der Fordismus war politisch gesehen nationalstaatlich organisiert, eine internationale Dimension stellte das Bretton Woods-System dar, an dessen Ausarbeitung Keynes beteiligt war. Damit wurde die internationale kapitalistische Weltwirtschaftsordnung der Zeit nach dem 2. Weltkrieg konstituiert. Diese beruhte auf dem Prinzip der Liberalisierung des Welthandels und der Ansicht, dass diese Liberalisierung den Sicherheitsstaat unterminiere, was die Regulation von Kapitalflüssen erforderlich mache, um Kapitalflucht zu vermeiden. In diesem System wurden fixe Wechselkurse zwischen den einzelnen Währungen und dem Dollar installiert. Einzig der Dollar als stabilste Währung, was sich aus der internationalen Hegemonie der USA im Fordismus ergab, hielt seine Deckung mit Gold aufrecht. Andere Nationalwährungen wurden an den Dollar in einem fixen Austauschverhältnis gebunden. Als Grundlagen des Systems wurden der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank geschaffen, die im Fall von Zahlungsunfähigkeit Kredite an die betroffenen Nationalstaaten gaben. Durch das System von Bretton Woods wurde der Dollar zum Weltgeld. Damit wurde der weitere Ausbau der US-Hegemonie begünstigt. Das Bretton-Woods-System "erleichterte den US-Konzernen die Eroberung fremder Märkte durch Direktinvestitionen" (Scherrer 1992, S. 131).
Der Wert der Währungen aller 44 dem Bretton Woods-Abkommen beitretenden Staaten wurde 1944 durch ein festes Verhältnis zum Dollar bestimmt. Der Wert des Dollars wurde auf 1/35 Unze Gold festgesetzt. Die USA gingen die Verpflichtung ein, jeden Dollarbetrag jederzeit in die zugrundeliegende Goldmenge umzutauschen.
Heute wird vielfach von der Krise des Staates geredet. Diese ist einerseits logische Konsequenz der Krise des Fordismus, da die auf Grund struktureller Antagonismen relativ fallenden Profitraten und die sich durch die voranschreitende Rationalisierung ausbreitende Massenarbeitslosigkeit auch eine Verringerung der Steuereinnahmen mit sich bringen, andererseits wurde die Dynamik des Deficit Spendings im Rahmen einer Krise der Kapitalakkumulation unterschätzt. Deficit Spending stellt einen permanenten steuerlichen Vorgriff auf erst zu erwirtschaftendes Kapital dar. Wenn sich aber realökonomische Krisenschwierigkeiten ergeben - die ohnehin auf Grund der vorhandenen antagonistischen ökonomichen Strukturen unvermeidlich sind, was aber wegen der großen Hoffnungen auf eine immerwährende fordistische Prosperität übersehen wurde -, so ist ein Scheitern einer solchen politischen Strategie vorprogrammiert.
Die Veränderungen von Staat und Politik, die wir heute erleben, hängen unmittelbar mit dem zusammen, was heute als "Globalisierung" bezeichnet wird. In Fuchs/Hofkirchner (2000) haben wir betont, dass Globalisierung einen allgemeinen Prozess der Menschheitsgeschichte bedeutet, der ein dialektisches Verhältnis von Lokalem und Übergreifendem/Globalem bedeutet. Jede Form der Gesellschaft ist geprägt durch eine konkrete Ausprägung dieser Dialektik der Globalisierung. In jeder Gesellschaft entwickeln sich globale Formen der Ökonomie, der Politik und der Kultur. Es gibt also nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine politische und eine kulturelle Globalisierung. Grundsätzlich sollten alle diese Ebenen in der Globalisierung betrachtet werden und die bestehenden Formen der Dialektiken in diesen Bereichen näher untersucht werden. In dieser Arbeit interessiert uns nun vor allem die ökonomische Globalisierung im Kapitalismus.
Wenn die ökonomische Globalisierung ein dem Kapitalismus immanenter Prozess ist, was ist dann im Postfordismus das eigentlich Neue daran? Warum wird so viel Lärm um ein bereits altbekanntes Phänomen gemacht? Es kann argumentiert werden, dass die ökonomische Globalisierung eigentlich ein Mythos ist, da die Exportquoten der kapitalistischen Länder schon vor etwa hundert Jahren so hoch waren wie heute oder da etwa drei Viertel der ausländischen Direktinvestitionen der OECD-Ländern innerhalb dieses Raumes verbleiben und sich daran in den letzten 15 Jahren nicht viel verändert hat.
Im Kontext des Übergangs vom Fordismus zum Postfordismus lässt sich nun auch näher bestimmen, was eigentlich unter dem neuen Schub ökonomischer Globalisierung zu verstehen ist: Es kann gesagt werden, dass die derzeitige Form der Globalisierung kein Ergebnis einer seit Jahrzehnten bewusst durchgeführten falschen Regierungspolitik ist (wie Martin und Schumann (1996) in der "Globalisierungsfalle" argumentiert haben), sondern sie kann aus der Logik und der Produktivkraftentwicklung des Kapitalismus als eine Strategie des Kapitals zur Lösung der fordistischen Krise durch die Ausnutzung internationaler Standortvorteile begriffen werden. Der Krise der Profitraten soll durch eine Externalisierung der Kosten kompensiert werden, indem versucht wird, durch eine weltweite Umstrukturierung der Organisationsweisen (Lean Production, Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer, Outsourcing etc.) der Unternehmen den konstanten und variablen Kapitalanteil zu senken. Dadurch wird die Hoffnung auf einen Anstieg der Profitraten gesetzt. Um dies zu erreichen werden auch immer neue und weitere Rationalisierungsschübe durchgesetzt.
Die Nutzung von Standortvorteilen bedeutet die Möglichkeit, den Produktionsprozess in unabhängig voneinander abwickelbare Teile zerlegen zu können, die jeweils dezentral erledigt und von einer Zentrale aus gesteuert werden. Jeder Teilprozess kann in einem anderen Land durchgeführt werden, in dem die Verwertungsbedingungen des Kapitals für die entsprechende Aufgabe "optimal" im Sinne eines niedrigen konstanten und variablen Anteils des Kapitals und schlechtem Arbeitsrecht sind. Die Drohung mit der Abwanderung von Betrieben kann als die Antizipation von Arbeitslosigkeit, vermindertem Wachstum und geringeren finanziellen Mitteln des Staates verstanden wurden. Dadurch entsteht im Postfordismus eine potentielle Situation der Erpressbarkeit. Die transnationalen Konzerne (TNK) spielen heute eine wesentliche Rolle in der Weltökonomie. Aus den rund 7.000 TNK, die in den 60ern existierten, sind heute etwa 37.000 geworden. Bei der Internationalisierung des Kapitals waren bis in die 70er-Jahre vor allem die Exportstrategie und die Multinationalisierung wesentlich. Bei der Exportstrategie vertreibt eine von einer Zentrale aus kontrollierte ausländische Niederlassung eines Konzerns das entsprechende Produkt. Bei der multinationalen Strategie sind die ausländischen Niederlassungen relativ autonom und versuchen eine selbständige Kontrolle der nationalen und regionalen Märkte. Als charakteristisch für den Postfordismus können die globale und die transnationale Strategie betrachtet werden [3] . Bei der globalen versucht ein Konzern, sein Produkt weltweit durchzusetzen. Die Produktion erfolgt dezentral, eine wesentliche Rolle dabei spielt die Auslagerung (Outsourcing) von Teilen des Produktionsprozesses in Regionen, die für die entsprechende Aufgabe optimale Bedingungen bieten. Die transnationale Strategie läuft darauf hinaus, dass es global verteilte Unternehmen eines Konzerns gibt, die bei der Erzeugung eines vielfältigen Produktschemas zusammenarbeiten. Jedes Unternehmen spezialisiert sich dabei auf gewisse Aspekte und konzentriert sich auf die Vermarktung des Produktprogrammes des Konzerns in der Region, in der es angesiedelt ist. Globale und transnationale Strategie sind nicht zu trennen, TNK verfolgen zumeist beide.
Die ökonomische Globalisierung kann im Zusammenhang des Übergangs vom Fordismus zum Postfordismus und vom Keynesianismus zum Neoliberalismus gesehen werden. Globalisierung bedeutet dann auch die Deregulierung von Schranken wie Schutzzöllen und Steuern sowie von sozialen Sicherungssystemen. Wird die ökonomische Globalisierung im Kontext der Einheit eines Akkumulations- und Regulationsmodells erfasst, so bezeichnet sie nicht eine Zunahme des internationalen Warenhandels, sondern vor allem die Schaffung neuer Rahmenbedingungen für die Verwertungsprozesse des Kapitals in der Form des zunehmenden Abbaus von institutionellen Schranken und Grenzen dieser Prozesse sowie die Internationalisierung des Kapitalverhältnisses und die Triadisierung (Konzentrierung auf die drei großen Wirtschaftsregionen Europa, USA und Südostasien) des Welthandels und des Kapitalexports in Form ausländischer Direktinvestitionen. Das qualitativ Neue an ihr ist im Postfordismus, dass es zu einer Deregulierung der im Fordismus gesetzten Schranken der Kapitalakkumulation kommt und dass sich eine Triadisierung des Welthandels einstellt. Der Weltmarkt verändert sich nicht quantitativ durch eine wesentliche Zu- oder Abnahme des Welthandels, sondern qualitativ durch einen Konzentrationsprozess des Handels auf große ökonomische Räume, die durch Freihandelsabkommen wie die EU, NAFTA oder APEC entstanden sind.
Im Kontext des Postfordismus und der ökonomischen Globalisierung ist die Herausbildung des Nationalen Wettbewerbsstaates (vgl. Hirsch 1995, S. 103-121, 139-143) von Bedeutung. Die einzelnen Staaten treten miteinander in Wettbewerb um die günstigsten Rahmenbedingungen der Kapitalakkumulation. Jener Staat, der die Deregulierung und den Sozialabbau am meisten vorantreibt, kann mit dem Wohlwollen des internationalen Kapitals und den sich daraus ergebenden Investitionen und Betriebsansiedlungen rechnen. Die staatliche Politik konzentriert sich "zunehmend darauf, einem global immer flexibler agierenden Kapital in Konkurrenz mit anderen Staaten günstige Verwertungsvoraussetzungen zu verschaffen" (Hirsch 1995, S. 103). Durch die Möglichkeit, dass Unternehmen permanent mit ihrer Abwanderung drohen können, steht ihnen ein Mechanismus zur Verfügung, mit dem die Belegschaften und Gewerkschaften erpressbar in der Hinsicht gemacht werden sollen, dass sie jedes Diktat des Kapitals widerstandslos akzeptieren, und mit dem die staatliche Politik zum Dumping der arbeits- und sozialrechtlichen Standards, zur Senkung der Lohnnebenkosten und der Unternehmenssteuern sowie zur Flexibilisierung der Arbeitszeit im Rahmen des internationalen Standortwettbewerbs gezwungen wird.
Durch die neoliberale Deregulierung der Rahmenbedingungen der Kapitalakkumulation wird die Drohung mit der Abwanderung für Konzerne immer einfacher. Resultat davon ist ein Wettbewerb der Nationalstaaten um für das Kapital möglichst günstige Standortbedingungen. Staatliche Politik wird daher immer mehr vom Diktat der Standortpolitik geleitet. Optimale Bedingungen für das Kapital bedeuten dabei immer prekärere Verhältnisse für die Lohnarbeitenden, Armen und Marginalisierten, da sich diese Optimalität nur durch den Wettbewerb um das Dumping der Arbeitsrechte und Sozialstandards herstellen lässt. Der Staat verändert seine innere Organisation im Postfordismus nicht grundsätzlich, aber er greift immer weniger regulierend in die Nationalökonomie ein, was im Fordismus für die Ermöglichung des Massenproduktions- und Massenkonsummodells notwendig war. Der Staat ist heute der Nachtwächter der Kapitalakkumulation, der ideale Rahmenbedingungen für diese herstellt. Die transnationalen Konzerne sind heute die wesentlichen ökonomischen Akteure, der Einfluss der Nationalstaaten auf ökonomische Entscheidungen, die von globaler Bedeutung sind, wird immer geringer. Das Leben der Weltbevölkerung wird heute immer mehr von Entscheidungen gelenkt, die tausende Kilometer entfernt in den Schaltzentralen der transnationalen Konzerne des Weltsystems getroffen werden.
Der Staat zieht sich im Neoliberalismus als regulierende Instanz immer stärker aus der Ökonomie zurück und vermindert durch Sozialabbau die Qualität und Quantität der Eingriffe in den sozialen Bereich. Den ungehemmten Kräften des "freien" Marktes wird freier Lauf gegeben. Die neoliberale Ökonomie und Politik gehen vom sich selbst regulierenden Markt aus. Die permanente Verschärfung der globalen Probleme im Postfordismus zeigt, dass die neoliberale Ideologie offensichtlich die Lebensverhältnisse weiter Teile der Menschheit nicht verbessert, sondern immer mehr Menschen in prekäre Lebensverhältnisse drängt. Die doppelt "freien" Lohnarbeitenden sind zusätzlich immer mehr frei von jeder sozialstaatlichen Absicherung. Es ist auch ein typisches Charakteristikum des Neoliberalismus, dass Menschen, die in prekären Verhältnisse leben, auf sich selbst gestellt werden, während der Staat Reiche und Unternehmen finanziell unterstützt.
Pierre Bourdieu sieht den Neoliberalismus nicht als fortschrittlich, sondern als Gefahr und einen konservativen Rückschritt, der sich progressiv präsentiert: "Der Neoliberalismus gibt sich als progressive Bewegung aus, dabei ist er eine zutiefst konservative Revolution. Es ist eine Restauration, die im Mäntelchen der Neuerung auftritt. Die neoliberale Botschaft ist konservativ: Arbeitet viel, ohne Garantie und Sicherheit! Es handelt sich um einen Rückschritt hin zum Unternehmertum des 19. Jahrhunderts" (Bourdieu 2000).
Bourdieu charakterisiert die neoliberale Politik mit drei Prinzipien, von denen diese ausgeht: "Das neo-liberale Modell basiert auf drei Prinzipien. Zuerst: die Wirtschaft ist ein vom Sozialen getrennter Bereich, in dem Naturgesetze und universelle Gesetze herrschen, die die Regierungen nicht konterkarieren sollten. Das zweite Prinzip: Der Markt ist das optimale Mittel, um die Produktion und den Austausch in demokratischen Gesellschaften auf effektive und gerechte Weise zu organisieren. Das dritte Prinzip, das mehr konjunktureller Natur ist: Die Globalisierung erfordert eine Reduzierung der öffentlichen Ausgaben, vor allem im sozialen Bereich, soziale Rechte in den Bereichen Arbeit und Sozialversicherung gelten als kostenaufwendig und dysfunktional" (Bourdieu 1999).
"Prototypen" des Neoliberalismus waren die Reagonomics und der Thatcherismus. Reagans Ziel war es, die Unternehmen so weit wie möglich zu entlasten (Einkommens- und Körperschaftssteuern senken, Zurückdrängung der Gewerkschaften usw.). Begleitet wurde dies durch Kürzungen im sozialen Bereich und eine expansive Ausgabenpolitik im Rüstungsbereich. Als Veränderungen der Politik in der Ära des postfordistischen Kapitalismus können wir folgende festhalten:

· Neoliberalismus
· Nationaler Wettbewerbsstaat, Dominanz der Ökonomie über die staatliche Politik
· Deregulierung
· Sozialabbau
· Ende des Wohlfahrtsstaats/"Sicherheitsstaats"
· Neue Formen der Durchstaatlichung nach Innen und Außen

Von der fordistischen Verallgemeinerung des Fließbandes zum informationsgesellschaftlichen Kapitalismus

Dass Auto und das Fließband stellten das technologische Paradigma des Fordismus dar. Sie symbolisierten die Massenproduktion und den Massenkonsum. Henry Ford meinte, dass die Arbeitenden das von ihnen hergestellte "Modell T" selbst kaufen können sollten. Anders wäre die neue Produktionsweise auch gar nicht möglich gewesen. Nach 1945 wurde dieses Modell verallgemeinert, in standardisierter Fließbandproduktion hergestellte Massenwaren kurbelten das auf Massenproduktion und Massenkonsum basierende Akkumulationsmodell an. Schon bald hatte jeder nicht nur sein eigenes Auto, sondern auch ein Fernsehgerät, einen Kühlschrank, Haushaltsgeräte, Telefon etc. Für den Massenkonsum waren vor allem auch Techniken wie das Fernsehen, das Telefon und das Radio charakteristisch.
Der Rationalisierungsprozess ist für den Kapitalismus grundlegend. Es ist ein Zwang jedes Unternehmens, die Produktivität permanent zu erhöhen, um schneller immer mehr Produkte zu einem günstigeren Preisen als andere anzubieten. Wer sich dieser Zwangsgesetzlichkeit des Kapitalismus nicht fügt und variables Kapital durch konstantes ersetzt (d.h. Arbeitskraft durch Maschinen), riskiert seinen eigenen Untergang als Unternehmer. Technik als Produktionsmittel unterliegt daher nicht nur einer Entwertung durch Verschleiß im Gebrauch und Nichtgebrauch, sondern auch einem "moralischen Verschleiß", wie Marx sagte. Damit ist gemeint, dass Maschinerie veraltet und permanent bessere und die Produktivität steigernde Maschinen hergestellt werden.
Die großflächige Durchsetzung des Fließbandes im Fordismus kann als ein weiterer Schub der Rationalisierung betrachtet werden, der den variablen Kapitalanteil - also jenen Teil des Kapitals, der für Löhne verausgabt wird -, verkleinere und durch die Methode der relativen Mehrwertproduktion die Profitraten erhöhen sollte.
Mehrfach wurde in der Kulturkritik die These aufgestellt, dass die fordistische Standardisierung durch die Massenkultur vom Fließband auf das Bewusstsein und Denken übergreife, wodurch sich ein eindimensionales Denken und die Formierung von ohnmächtigen Subjekten herstelle, die durch die psychische Bindung an die Konsumgesellschaft ihr eigenes Unglück im Kapitalismus nicht erkennen könnten (Marcuse 1941, 1967; Adorno/Horkheimer 1969, Debord 1979).
Wir können davon ausgehen, dass für jede Phase des Kapitalismus ein spezifisches technologisches Paradigma ausschlaggebend ist. Sind die Produktivitätszuwächse jedoch nicht mehr ausreichend, so müssen andere Techniken gefunden werden, die die Organisationsweise des Kapitalismus effektiver gestalten helfen. Durch einen sich mit der Dauer strukturell einstellenden Mangel der Produktivität wurde im Fordismus dem postfordistischen Aufstieg der Computertechnologie und der darauf basierenden modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) der Weg geebnet.
Wenn von der "Informationsgesellschaft" gesprochen wird, so wird diese allzu häufig auf rein technische Veränderungen, also die vermehrte gesellschaftliche Nutzung von IKT, reduziert. Manifest wird dies etwa in Metaphern wie jener von der Datenautobahn, da ein herrschendes Technologieverständnis befördert wird, das einem ungebremsten Fortschrittsoptimismus das Wort redet und letztlich vor allem auf die Maximierung von Profit orientiert ist. Tatsächlich ist Information aber ein gesellschaftliches Verhältnis, das nicht nur in der Form von IKT zunehmende Bedeutung erfährt; des weiteren haben wir es nicht nur mit technischen Veränderungen zu tun, sondern vor allem mit ökonomischen und politischen Umbrüchen, die vom fordistischen zum postfordistischen und vom keynesianischen zum neoliberalen Kapitalismus führen; außerdem sind diese gesellschaftlichen Umbrüche nicht automatisch mit gesellschaftlichem Fortschritt verbunden, sondern bedeuten heute vorwiegend eine Verschärfung der globalen Probleme, die inzwischen zu Überlebensproblemen der Menschheit geworden sind. Information umfasst immer die Produktion von Zeichen und entsteht dann, wenn sich ein System selbst organisiert (vgl. Fuchs/Hofkirchner 2001). Es handelt sich um keine rein technische Kategorie, sondern um eine, die sich in Systemen unterschiedlicher Art finden lässt (in technischen und sozialen genauso wie in physikalisch-chemischen und lebendigen Systemen). Information finden wir in der Gesellschaft einerseits auf einer individuell-kognitiven Ebene in der Form von wahrgenommenen Daten, interpretiertem Wissen und bewerteter Weisheit (vgl. ebd.) und andererseits als soziale Information in der Form von Ressourcen, Entscheidungen, Normen und Werten, die vergangenes soziales Handeln speichern und zukünftiges soziales Handeln erleichtern. Es muss nicht immer von neuem eine Grundlage für soziales Handeln geschaffen werden, da diese in der Form von sozialer Information dauerhaft zur Verfügung steht. Soziale Information ist eine dauerhafte Grundlage sozialen Handelns, die sich aber in ihrer eigenen gesellschaftlichen Dynamik permanent verändert.
Der gesellschaftliche Umgang mit Wissen umfasst dessen Produktion, Verteilung und Differenzierung. Im Rahmen der Verteilung stehen unterschiedliche Mittel zur Verfügung. Moderne IKT stellen neben z.B. Büchern, Bibliotheken oder Gesprächen nur eine Form der Wissensverteilung dar. Mit Hilfe von Computertechnologien kann Wissen heute in polydirektionaler, interaktiver und multimedialer Form produziert und verteilt werden. Dabei ist zu beachten, dass Wissen immer eine soziale Kategorie ist, es wird niemals nur individuell produziert, sondern nimmt einerseits immer Bezug auf bereits bestehendes Wissen und beeinflusst andererseits das zukünftige soziale Handeln (wenn auch abhängig von Macht- und Klassenverhältnissen mehr oder weniger).
Vom informationsgesellschaftlichen Kapitalismus können wir heute sprechen, da Wissen zu einer immer bedeutenderen Produktivkraft wird, die die Akkumulation des Kapitals und die Produktion von Mehrwert wesentlich beeinflusst. Wir haben bereits gesagt, dass der Dienstleistungsbereich einen immer bedeutender werdenden Sektor des Kapitalismus darstellt. Teil dieses Bereiches ist auch das, was wir als Informations- oder Wissensarbeit subsumieren können. Darunter sind jene Tätigkeiten zu zählen, die mit der Schaffung, Verarbeitung und Instandhaltung von Wissen zu tun haben. Also etwa die Tätigkeiten eines Programmieres genauso wie jene einer Wissenschaftlerin, eines Sekretärs, eines Information-Brokers, einer Marktforscherin oder einer Zeitungsredakteurin. Wissensarbeit wird heute zu einer für die weitere Funktionsweise des Kapitalismus immer wichtigeren Kategorie.
Immaterielle und geistige Arbeit werden zwar immer bedeutender, die Akkumulation des Kapitals benötigt aber immer noch eine stoffliche Basis. Daher ist eben auch die Vorstellung einer Weightless Economy ein Mythos. Es lässt sich hinzufügen, dass sich die Notwendigkeit einer stofflichen Basis der Akkumulation auch im Rahmen der New Economy bereits daran zeigt, dass die angeblich immateriellen Produkte sehr wohl eine stoffliche Basis haben (Infrastruktur, Modem, Computer, Glasfaserkabel, CD-ROMs, Datenträger etc.). Auch Ökobilanzen der New Economy zeigen, dass diese Unmassen an stofflichen Ressourcen verschlingt. Durch die Entwicklung der Produktivkräfte hebt sich das Wertgesetz zwar tendenziell auf, solange der Kapitalismus besteht, wird er allerdings lebendige Arbeit und stoffliche Mehrprodukte als Grundlagen benötigen.
Mit der Zunahme der Bedeutung der Herstellungen der Rahmenbedingungen und der Infrastruktur der Warenproduktion, wird auch der Stellenwert Wissenschaft wird im heutigen Kapitalismus immer größer. Unter Wissenschaft kann zunächst die Verallgemeinerung von neue geschaffenem Wissen mit Bezugnahme, Analyse und Kritik auf das im Kontext dazu bereits existierende Wissen verstanden werden. Als Produktivkraft hat die Wissenschaft eine wesentliche Funktion für die kapitalistische Entwicklung. Sie stellt dabei eine Organisationsweise der Rahmenbedingungen und infrastrukturellen Einrichtungen der Kapitalakkumulation dar, sie sorgt für den Fortschritt der Produktions- und Organisationsmethoden und dabei vor allem für immer neue und effizientere Methoden der relativen Mehrwertproduktion, die Maschinen hervorbringen, die immer effizienter in der Produktion eingesetzt werden können (d.h. die immer mehr Waren in immer kürzerer Zeit produzieren helfen). Mit der Verwissenschaftlichung der Produktion und der immer stärkeren Zunahme der Bedeutung der Produktivkraft Wissen werden wissenschaftliche Vorleistungen der Produktion, die Schaffung von Know-How durch Forschung und die Ausbildung qualifizierter ArbeiterInnen an Universitäten immer bedeutender. Viele Firmen und nahezu alle Konzerne kooperieren nicht nur mit Universitäten und vergeben Forschungsaufträge an diese, sondern haben auch eigene Forschungsabteilungen, die kein allgemein zugängliches Wissen schaffen, sondern Wissen, das dem eigenen Betrieb vorbehalten bleibt. Das Wissen hat im Produktionsprozess einen äußerst günstigen Charakter, der ökonomischen Interessen nützt: Es verbraucht sich nicht stofflich und muss nicht durch Neukauf reproduziert werden. Einmal angeeignetes Wissen kann und muss zumeist weiterentwickelt werden, was weitere Kosten verursacht, aber es gibt fast keine Reproduktionskosten des vorhandenen Wissens, es muss nicht permanent neu (re)produziert werden wie die Arbeitskraft oder Rohstoffe. Wissen kann zu einem sehr geringen Preis quasi unendlich vervielfältigt werden (es wird also in der Form von Kopien billig reproduziert, muss aber selbst nicht reproduziert werden), kann in digitaler Form mittels moderner I&K-Technologien global sehr schnell verbreitet werden und die Grenzkosten der Vervielfältigung des Wissens sinken durch die technische Produktivkraftentwicklung immer weiter.
Schließlich haben auch die modernen IKT wie das Internet wesentliche Veränderungen des Kapitalismus vermittelt. Computertechnologie kann grundsätzlich als Medium und Resultat der Rationalisierung betrachtet werden: Dem Kapitalismus liegt die Zwangsgesetzlichkeit der permanenten Erhöhung der Produktivität zu Grunde. Eine immer weiter voranschreitende Rationalisierung ist die logische Folge. Die Computertechnologie ist Medium und Resultat der Rationalisierung und der Umstrukturierung des Kapitalismus. Ihre Genese ist das logische Resultat der Weiterentwicklung der kapitalistischen Produktionsweise. Gleichzeitig ist sie das Medium der Ersetzung menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen. Eine logische Folgerung ist die Massenarbeitslosigkeit, mit deren permanenten Zunahme wir heute konfrontiert sind. Die ökonomische Diffusion der Computertechnologien hängt auch mit der Krise des Fordismus zusammen. Als eine Reaktion auf den relativen Fall der Profitraten wurde die Computerisierung und damit die Automatisierung weiter vorangetrieben, um Arbeitskosten einzusparen und die Profitraten zu steigern.
In technischen Artefakten widerspiegeln sich gesellschaftliche Herrschafts- und Besitzverhältnisse. Dies gilt auch für das Internet. Der Zugang zum Cyberspace kostet Geld für Telefon, Modem, Computer, Provider usw., gleichzeitig kommt es aber zu einer immer stärkeren sozialen Spaltung und Polarisierung. Nur ca. 2-3% der Weltbevölkerung hat Zugang zum Netz, dabei handelt es sich mehrheitlich um weiße, männliche US-Amerikaner. Es zeigt sich also die Widerspiegelung von gesellschaftlichen Dichotomisierungen nach Klasse, Geschlecht, Herkunft, Alter und Qualifikation im Internet. Der Zugang ist in diesem Sinn ganz und gar nicht "frei", die Forderung nach "Access for all" ist technizistisch und verkürzt, denn sie blendet aus, dass ihre Realisierung grundlegende gesamt- und weltgesellschaftliche Transformationen umfassen müsste. Afrika stellt etwa 12% der Weltbevölkerung, verfügt aber nur über 2% der weltweit verfügbaren Telefonanschlüsse. Durchschnittlich gibt es in Afrika weniger als 2 Telefonanschlüsse pro 1000 EinwohnerInnen. Das Internet ist vorwiegend ein Mittel zur Erzielung von Profit, aus einer ursprünglich rein militärisch eingesetzten Technologie (ARPA-Net) wurde ein Mittel zur Restrukturierung und Beschleunigung betrieblicher Abläufe, ein neuer Ort der Kapitalakkumulation und ein Werbemittel mit interaktiven und multimedialen Dimensionen. Politik stellt ein minoritäres Feld im Web dar, maximal 1-2% der Websites behandeln politische Inhalte, es überwiegen Sex und Kommerz.
Trotz allem zeigt sich, dass moderne IKT von sich selbst organisierenden politischen Bewegungen unterstützend effizient eingesetzt werden können. Vor allem eine globale Vernetzung und Vereinfachung sowie Beschleunigung kommunikativer Abläufe kann so erreicht werden. Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass kritische und oppositionelle Tätigkeiten durch die Vernetzung effizienter selbst organisert werden können. IKT sind Teil jener Strukturen, die Fremdbestimmung aufrechterhalten, bieten aber auch Unterstützung bei vernetzter Selbstorganisation, die gesellschaftskritisch und intervenierend agiert (vgl. Fuchs 2001). Halten wir einige Aspekte der modernen IKT fest, die eine Bedeutung bei derzeitigen gesellschaftlichen Veränderungen spielen:

1. IKT führen zu Delokalisierungs- und Entbettungsprozessen im Sinn der Herstellung einer raum-zeitlichen Entfernung sozialer Beziehungen. Damit im Zusammenhang steht die Internationalisierung der Produktion. IKT sind Medium und Resultat der ökonomischen, kulturellen und politischen Globalisierung.

2. IKT können einer Derealisierung Vorschub leisten, bei der die Realität mit künstlichen Realitäten verschwimmt. Dies zeigt sich im Cyberspace z.B. bei Chats oder MUDs/MOOs, bei denen die handelnden Akteure unterschiedliche konstruierte Identitäten annehmen können.

3. IKT vermitteln eine Dezentralisierung und Enthierarchisierung der internen Unternehmensorganisation. Dabei stellt sich die Frage, ob dies zu einer Humanisierung der Arbeit führt oder zu einer Totalverzweckung des Menschen, bei der die Ausgebeuteten ihrer Ausbeutung zustimmen sollen. Damit in Zusammenhang steht auch die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse.

4. IKT können den Zugang zu Informationen, den Informationsaustausch, die Kooperation und die Kommunikation prinzipiell erleichtern. Zugleich zeigt sich aber, dass der virtuelle Raum segmentarisiert ist und dass sich die gesellschaftlichen Ungleichheiten im Cyberspace reproduzieren.

5. IKT können einen kulturellen Austausch und eine kulturelle Einheit in der Vielfalt prinzipiell vermitteln. Gleichzeitig produzieren sie unter kapitalistischen Verhältnissen Widersprüche jedoch mit und tragen dabei prinzipiell zu einer Verschärfung der globalen Probleme bei.

6. Die Anwendung von IKT verändert die Arbeitswelt auch dadurch, dass es im Bereich der neuen Medien und der Softwareindustrie zu einem hochqualifizierten Segment des Arbeitsmarktes kommt. Gleichzeitig verschärfen sich jedoch die Spaltungen am Arbeitsmarkt. Vor allem niedrig qualifizierte Jobs werden wegrationalisiert, Folge ist eine Massenarbeitslosigkeit. Es ist zweifelhaft, dass die Entstehung hoch qualifizierter Jobs im High-Tech-Bereich diese Arbeitslosigkeit kompensieren kann.

7. IKT sind Teil des Rationalisierungsprozesses, der zu einer Ersetzung menschlicher Arbeit durch Maschinen führt. An sich stellt die Verringerung der durch den Menschen zu leistenden gesellschaftlich notwendigen Arbeit eine zivilisatorische Errungenschaft dar, die dem Menschen mehr freie Zeit und Musse bietet. Unter den Bedingungen der kapitalistischen Widersprüche und der Zweck-Mittel-Verkehrung der Technik bedeuten Rationalisierung und Automatisierung jedoch eine Zunahme der Arbeitslosigkeit und der Armut. IKT sind Medium und Resultat der Rationalisierung im Kapitalismus.

8. IKT führen zu einer Durchdigitalisierung des Sozialen (d.h. zur Diffusion der neuen Medien und Technologien in alle gesellschaftlichen Bereiche und Lebensverhältnisse) und ermöglichen damit eine Verstärkung der Kontrolle und Überwachung durch technische Vernetzung. IKT machen Abläufe nachvollziehbar, dies ist jedoch nicht nur eine Chance, sondern auch ein Risiko der Zunahme der Intensität von Überwachung und Kontrolle.

9. IKT können geistige Tätigkeiten fördern. Gleichzeitig unterliegt derzeit aber auch der Bereich der geistigen Arbeit der Rationalisierung. Es zeigt sich also auch eine Automation der Kopfarbeit.

10. IKT werden vorwiegend kommerziell und im Sinn der Profitmaximierung genutzt, taugen aber z.B. auch als Medium oppositioneller politischer Interventionen

Vor allem der erste Punkt verweist darauf, dass IKT auch Medium und Resultat der ökonomischen Globalisierung des Kapitalismus sind. Auf der einen Seite ermöglichen I&K-Systeme durch die Herstellung von raum-zeitlicher Entfernung den Einfluss lokaler Prozesse auf das weltweite Geschehen und umgekehrt. Dadurch stellt sich sowohl eine räumliche und zeitliche Unabhängigkeit ein. Daher können die modernen Informations- und Kommunikationssysteme als Medium der Globalisierung bezeichnet werden. Sie ermöglichen und vereinfachen die globale Kommunikation und den Welthandel. Die Globalisierung, Dezentralisierung und Flexibilisierung des Kapitalismus wird also durch die modernen IKT vorangetrieben, sie werden als Mittel der territorialen Restrukturierung des Kapitalismus eingesetzt. Der Netzwerkcharakter der global agierenden Transnationalen Konzerne wird durch die neuen IKT ermöglicht, letztere sind aber auch das Resultat der ökonomischen und profitgeleiteten Restrukturierungsbewegungen des Kapitals. I&K-Systeme sind also nicht nur Medium der Globalisierung, sondern auch deren Resultat. Es liegt in der Logik des Kapitalismus begründet, dass die Produktivität permanent gesteigert werden muss. Die Kapitalakkumulation muss ständig durch die Entwicklung neuer Technologien besser und optimaler organisiert werden. Ständig neue Automatisierungsschübe sind daher eine logische Konsequenz der kapitalistischen Produktionsweise. Um die Kapitalakkumulation optimal zu organisieren, sind also ständig produktivere Maschinen und neue Technologien notwendig. Daher kann auch argumentiert werden, dass I&K-Systeme und die vernetzenden Technologien nicht zufällig entstanden sind, sondern sich nur durchsetzen konnten, da sie sich auf die Organisation des Kapitalismus positiv auswirken und diesen in dem Sinn bereichern, dass sie die Internationalisierung des Kapitals vereinfachen. In diesem Sinn können die neuen Technologien auch als Resultat der Globalisierung verstanden werden. Sie bedingen als Medium einerseits die Globalisierung, sind also eine von deren Voraussetzungen. Andererseits ist die Globalisierung, ein dem Kapitalismus innewohnender Prozess. Die Internationalisierung des Kapitals, also die notwendigerweise vorhandene globale Dimension des Kapitalismus, benötigt für ihre effiziente Gestaltung entsprechende Verkehrsformen. Die Entwicklung und vor allem die globale Durchsetzung von Schiffahrt, Eisenbahn, Telegraf, Telefon, Funk und Fernsehen, Auto, Flugzeug, Computer und letzten Endes von I&K-Systemen erscheint daher logisch als das Resultat der internationalen Dimension des Kapitalismus.
Diese Zusammenhänge von Globalisierungsprozessen und der beschleunigenden Wirkung von Technologien erkannte bereits Marx, konnte sie aber natürlich nicht für die Spezifik der IKT anwenden. "Wenn einerseits mit dem Fortschritt der kapitalistischen Produktion die Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel die Umlaufszeit für ein gegebenes Quantum Waren abkürzt, so führt derselbe Fortschritt und die mit der Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel gegebne Möglichkeit - umgekehrt die Notwendigkeit herbei, für immer entferntere Märkte, mit einem Wort, für den Weltmarkt zu arbeiten" (Marx 1885, S. 254). Transport- und Kommunikationswesen seien "Waffen zur Erobrung fremder Märkte" (Marx 1867, S. 475). Wenn heute davon gesprochen wird, dass das Internet die ökonomische Globalisierung vorantreibe, so verweist dies auf nichts anderes als auf die grundsätzliche Funktion von Technologien im Kapitalismus, die Marx bereits im 19. Jahrhundert erkannte.
Der informationsgesellschaftliche Kapitalismus zeichnet sich durch die Zunahme der gesellschaftlichen Bedeutung des Wissens als Produktivkraft aus. Diese Informationsgesellschaft ist aber eigentlich nur halbierte Informationsgesellschaft (Hofkirchner 1999), denn sie hat es noch nicht geschafft, jene Weisheit als Dimension gesellschaftlicher Information zu erlangen, die zur Lösung der globalen Probleme führen würde.

Globale Probleme und die Nichtdeterminiertheit der gesellschaftlichen Entwicklung

Der Umbruch vom Fordismus zum Postfordismus, vom Keynesianismus zum Neoliberalismus und hin zum informationsgesellschaftlichen Kapitalismus bringt eine Verschärfung der globalen gesellschaftlichen Probleme mit sich. Einige Stichwörter sind in diesem Zusammenhang die Stagnierung der Löhne, während Kapitaleinkommen weiter steigen; prekäre Arbeitsverhältnisse als Armutsfallen, Massenarbeitslosigkeit, Massenarmut, Armut trotz Arbeit, Verschärfung der ungleichen Ressourcenverteilung zwischen Nord und Süd, immer längere Wochen- und Lebensarbeitszeit bei relativ geringerem Lohn, Verschärfung der ökologischen Krise. Die soziale Destabilisierung führt in Folge auch zum Anstieg von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Kriminalität, Krieg und gewalttätigen Auseinandersetzungen. Eine solche Gesellschaft ist in der Tat keine weise Gesellschaft.
Mit dem modernen Komplexitätsansatz und den Selbstorganisationstheorien (vgl. Fuchs 2001) werden heute immer stärker Elemente wie Zufall, deterministisches Chaos, eingeschränkte Vorhersagbarkeit, Unordnung, Ordnung aus dem Chaos, Instabilität, Dynamik, Unsicherheit, Ambigutität, multidimensionale, komplexe und nichtlineare Kausalität, Indeterminismus und Interdisziplinarität an Stelle von Vorhersagbarkeit, Stabilität einer Ordnung, Sicherheit, Kontrolle, Steuerbarkeit, Linearität, Reduktionismus, Determinismus und Fragmentierung betont. Für die Sozialwissenschaften bedeutet dies eine Ende der Gewissheiten, es ist nicht möglich, uneingeschränkt geltende Gesetze zu entdecken, nach denen soziale Systeme funktionieren und die diese vorhersagbar und infolgedessen stabilisierbar und kontrollierbar machen. Vielmehr stellen wir einen Übergang vom Sein zum Werden fest, d.h. dass auch Gesellschaftssysteme sich permanent dynamisch wandeln und dass Situationen eintreten, in denen Instabilitäten auftreten und die gesellschaftliche Entwicklung nicht weiter vorhergesagt werden kann. An der klassischen sozialwissenschaftlichen Darstellung universeller Regeln, die menschliches und soziales Handeln erklären sollen, kann nicht mehr weiter festgehalten werden. Vielmehr folgen bestimmte Aspekte sozialer Systeme Regeln und sind daher auch einigermaßen vorhersagbar. Andererseits gibt es aber auch chaotische Zustände, in denen die weitere Entwicklung eines sozialen Systems nicht vorhersagbar ist. Die Anwendung des Newtonschen Paradigmas und dessen verkürzter, mechanistischer Kausalität auf die Sozialwissenschaften steht noch immer an der Tagesordnung, die menschliche Geschichte gilt vielen immer noch als unvermeidlich fortschrittlich und es wird nach Regeln gesucht, die helfen sollen, die gesellschaftliche Entwicklung exakt vorherzusagen. Auch Immanuel Wallerstein stellt in diesem Zusammenhang fest - und darin gebe ich ihm uneingeschränkt recht - , dass die Sozialwissenschaften heute mit einem Ende der Gewissheiten konfrontiert sind, Indeterminismus, Irreversibilität, Zufall und Nichtvorhersagbarkeit seien heute von wesentlicher Bedeutung (vgl. Wallerstein 1995, 1997a).
Ich gehe davon aus, dass wir heute mit der globalen Krise unserer Gesellschaften in einem solchen Bifurkationspunkt der gesellschaftlichen Entwicklung angelangt sind, in dem sich massive Instabilitäten in der Form der Verschärfung der globalen Probleme zeigen und in dem die weitere Entwicklung nicht determiniert, sondern offen ist. Wir sind daher mit der Ambivalenz von großen Risiken und Gefahren einerseits sowie sich ergebenden Chancen für die zukünftige Entwicklung andererseits konfrontiert. Denkbar sind mehrere Entwicklungsszenarien: Das Ende der Menschheit, da die globalen Probleme unter den derzeitigen Entwicklungsbedingungen nicht in den Griff zu bekommen sind; die weitere krisenhafte Reproduktion des Kapitalismus im Rahmen extrem militarisierter und repressiver Regime; der Übergang in offen faschistische Formen des Kapitalismus; oder ein grundlegender Richtungswandel, der ein Umdenken in allen gesellschaftlichen Bereichen und einen sich daraus ergebenden Formwandel voraussetzt, mit Hilfe dessen eine sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung eingeschlagen werden kann.
Ich bin nicht optimistisch, was die weitere Entwicklung betrifft, es ist jedoch nicht der Fall, dass sich die gesellschaftliche Entwicklung unabhängig vom sozialen Handeln des Menschen durchsetzt. Gerade in solchen Phasen der Instabilität kommt dem sozialen Eingriff des Menschen eine große Bedeutung zu. Es ist zwar nicht möglich, die weitere Entwicklung zu bestimmen, aber die gesellschaftliche Evolution kann möglicherweise durch soziale Gestaltungsmechanismen in gewisse Bahnen geleitet werden. D.h., dass es menschliche Intervention grundsätzlich ermöglicht, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass eine gewisse Entwicklungsbahn eingeschlagen wird. Gewissheiten gibt es allerdings auch hierbei nicht. Verläuft diese Intervention des Menschen in Gesellschaft und Natur weiterhin auf zerstörerische und ausbeuterische Art und Weise, so bin ich mir ziemlich sicher, dass sich eines der ersten drei Schreckensszenarien ergeben wird. Werden jedoch die Selbstorganisationspotenzen der Menschheit aktiviert, d.h. wenn durch basisdemokratische Bottom-Up-Interventionen versucht wird, gesellschaftlichen Hierarchien und Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken, so bin ich zuversichtlich, dass das vierte Szenario und damit möglicherweise eine Humanisierung der globalen Lebensverhältnisse durch die Etablierung einer auf den Prinzipien der Selbstorganisation und der Selbstbestimmung aller gesellschaftlicher Lebensbereich basierenden Gesellschaft erreicht werden kann. Es geht also um Selbstorganisation an Stelle von Fremdorganisation als gesellschaftliches Gestaltungsprinzip, das eine sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung ermöglichen könnte.
Gewisse Hoffnungen setzte ich in die Neuen Sozialen Bewegungen, da hier Basisdemokratie und Selbstorganisation immer eine gewisse Bedeutung gehabt haben. Allerdings zeigt sich heute einerseits die Institutionalisierung und damit ein tendenzielles Ende dieser sozialen Protestbewegungen, anderseits fehlt eine umfassende Perspektive, die die Verbundenheit aller Ausgebeuteten und Unterdrückten mit berücksichtigt und Selbstorganisation als mögliches umfassendes gesellschaftliches Gestaltungsprinzip in Ökonomie, Politik und anderen Lebenswelten begreift.
Ich schließe mich der Meinung Immanuel Wallersteins an, dass wir in 50 Jahren eine radikal transformierte Gesellschaft (oder keine Gesellschaft mehr) erleben werden und dass die Zeit bis dorthin eine mit großen sozialen Unruhen und einer Zunahme der alltäglichen Gewalt sein wird. Dies kann als Resultat der Antagonismen der kapitalistischen Entwicklung und der sich daraus ergebenden großen gesellschaflichen Krise betrachtet werden.

"[...] this structural crisis leads us into a dark period of struggle over what kind of system will succeed the existing one. We can think of this as a bifurcation, and therefore the beginning of a chaotic period, within which no one can predict the outcome, which is inherently indeterminate. There will be a new structure, a new order, but it may be either better or worse than the existing one. It depends on what we all do in the period of acute struggle and how clearly we understand the forces at work" (Wallerstein 1999b).
Die Krise, so Wallerstein, würde sich unabhängig vom Willen der Menschen durchsetzen, nicht jedoch die Entwicklung im Bifurkationspunkt. Schon kleine politische Aktionen könnten große Konsequenzen nach sich ziehen. Daher sei der freie Wille in dieser Situation von großer Bedeutung (Wallerstein 1999a). "The future [...] is open to possiblity, and therefore to a better world" (Wallerstein 1997b).
Fortschritt ist möglich, aber nicht unvermeidlich. Er ist aber auf alle Fälle abhängig davon, ob es gelingt, soziale Selbstorganisation in der gesellschaftlichen Praxis und den sich darin immer findenden (Überlebens-)Kämpfen konkret umzusetzen.

Literatur:

Adorno, Theodor W./Horkheimer, Max (1969) Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt/Main. Fischer. Neuauflage 1997

Aglietta, Michel (1979) A Theory of Capitalist Regulation. The US Experience. London. NLB

Bell, Daniel (1976) Die nachindustrielle Gesellschaft. Frankfurt/Main. Suhrkamp.

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[1]1914 kündigte Ford an, dass der Tageslohn von 2,30 Dollar auf 5 Dollar angehoben wird. Gleichzeitig wurde der 8-Stunden-Tag eingeführt. Bei 6 Arbeitstagen ergab sich damit die 48-Stunden-Woche.

[2] Fertigungstiefe: Ausmaß, in dem die erforderlichen Verarbeitungsschritte bei der Herstellung einer Ware selbst oder von fremden Betrieben durchgeführt werden. Die Fertigungstiefe ist ein Maß dafür, in welchem Ausmaß der Hersteller die Ware selbst herstellt.

[3] Siehe für die folgende Unterteilung in Exportstrategie, multinationale, globale und transnationale Strategie Hirsch-Kreinsen (1996) S. 12f